Von DVB-T zu DVB-T2: Ein Puzzle mit noch ungewissem Ausgang für drahtlose Produktionsmittel

Die Verlagerung der TV-Sender und der drahtlosen Mikrofonanlagen aus dem 700-MHz-Band in den Bereich 470 – 694 MHz ist ein komplexer Vorgang. Er erfordert eine sorgfältige Planung durch Spezialisten, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Vor der Umstellung der rund 170 TV-Senderstandorte müssen zunächst die Frequenzen mit dem Ausland koordiniert werden. Erst wenn alle TV-Sender dann den Betrieb aufgenommen haben, können die Nutzer drahtloser Produktionsmittel feststellen, welche Frequenzen sie nutzen können und welche gestört sind. Das ist auch der Zeitpunkt, zudem die Mobilfunker dann ihre Sendernetze im 700 MHz Band in Betrieb nehmen können.

Verantwortlich: UHF-Arbeitsgruppe der Bundesnetzagentur

Damit die Umstellung in geordneten Bahnen verläuft, plant eine mit Fachleuten besetzte Arbeitsgruppe der Bundesnetzagentur den Ablauf [Download: Bericht der UHF-Arbeitsgruppe]. Sie geht davon aus, dass die Räumung des 700-MHz-Bandes erst 2019 abgeschlossen sein wird (Abbildung 1). Die Experten widersprechen damit der Ankündigung der Bundeskanzlerin, dass bereits im Jahr 2017 für jeden Haushalt in Deutschland 50 Megabit bereitstehen werden.

Abbildung1

Abbildung 1: Zeitplan der DVB-T2-Migration. Ballungsräume (Phase 1) werden schneller von DVB-T auf DVB-T2 umgestellt als Mittelzentren (Phase 2a+b), abschließend folgt die Fläche (Phase 3). Mitte 2019 soll die Umstellung dann in ganz Deutschland komplett sein. Quelle: NDR / Bundesnetzagentur

Eine Frequenzplanung vollzieht sich in mehreren Stufen. Auf den Weltfunkkonferenzen werden die Frequenzbereiche für die einzelnen Dienste wie TV oder Hörfunk festgelegt. Auf dieser Grundlage vereinbaren dann die einzelnen Staaten, wer welche konkreten Frequenzen nutzen kann. Damit wird verhindert, dass sich Frequenzen wechselseitig stören. Innerhalb eines Landes werden dann die einzelnen Standorte, mit Frequenzen, Sendeleistungen und Antennendiagrammen festgelegt.

Da Frequenzen mit einem genügend großen Abstand wieder genutzt werden können, ohne sich zu stören, ist die Frequenzplanung wie ein großes Puzzle, bis alle Frequenzen optimal geplant sind.

Auslandkoordinierung immer noch nicht abgeschlossen

Hauptproblem bei der Umstellung des 700-MHz-Spektrums ist die Frequenzkoordination mit den Nachbarstaaten. Anders als Deutschland nutzen sie diesen Bereich noch über längere Zeit für das Fernsehen. Österreich hat z.B. angekündigt, frühestens 2023 dieses Spektrum zu räumen. Solange kann in Süddeutschland der Mobilfunk diese Frequenzen nicht nutzen. Andere Staaten wollen früher ihre terrestrische Versorgung umstellen.

Wegen der noch laufenden Auslandskoordinierungen und der Wechselwirkung zwischen nationaler und internationaler Planung gibt es immer wieder Änderungen bei den TV-Kanälen. Der aktuelle Plan beschreibt den Stand zum 31.05.2015.

Er sieht vor, dass die Einführung von DVB-T2 ab Mai 2016 mit einer Pilotphase beginnt. Die Umstellung startet im ersten Quartal 2017 und soll 2019 abgeschlossen sein.

Da Funkmikrofone und andere drahtlose Geräte nur die Lücken zwischen den TV Sendern nutzen können, müssen die PMSE-Nutzer sehr genau darauf achten, ab wann die Fernsehsender welche Kanäle in Zukunft nutzen.

Störstrahlung durch weit entfernte TV-Sender

Der Migrationsplan eignet sich für Nutzer drahtloser Produktionsmittel aus diesem Grund nur für eine erste grobe Orientierung. Sie müssen zusätzlich berücksichtigen, welche TV-Sender aus der Nachbarschaft einstrahlen. Besonders tückisch ist, dass die Störstrahlung eines Fernsehsenders deutlich weiter reicht als das eigentliche Sendesignal. Können z.B. in einem Theater von einem weiter entfernten Fernsehsender keine Bilder mehr empfangen werden, kann dieser trotzdem die drahtlosen Produktionsmittel stören.

Die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) hat aufgrund ihrer Erfahrung exemplarisch für Frankfurt am Main untersucht, wie sich diese auswirken wird. Danach stehen in Zukunft für den Outdoor-Einsatz nur noch 5 freie Kanäle für Funkmikrofone zur Verfügung (Abbildung 3).

Abbildung3

Abbildung 3. Quelle: Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen)

Um sicher zu gehen, müssen konkrete Messungen vor Ort durchgeführt werden. Sie liefern aber nur dann verlässliche Ergebnisse, wenn alle TV-Sender ihren Betrieb aufgenommen haben.

Zwischenlösungen schaffen zusätzliche Probleme

Während der Umstellungsphase sind für einzelne TV-Kanäle Zwischenlösungen erforderlich. Die Sender wechseln dann vorübergehend auf Kanäle im 700-MHz-Band, aber auch in den Bereich von 470 – 694 MHz. Dies kann dazu führen, dass Funkmikrofonanlagen, die bisher in einer freien Lücke eingesetzt wurden, für die Zeit der Umstellung gestört werden.

PMSE-Nutzer: Entwicklung aufmerksam beobachten!

Nutzer drahtloser Produktionsmittel im 700-MHz-Band können ihre Geräte grundsätzlich solange in diesem Bereich einsetzen, bis LTE startet. Sollten sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollten sie aufmerksam verfolgen, wann die Mobilfunkunternehmen ihre Netze in Betrieb nehmen.

Um dieses komplexe Thema für die Nutzer drahtloser Produktionsmittel durchsichtiger zu gestalten, werden wir unter der Rubrik „Informationen für Anwender“ über die Umstellungen auf dem Laufenden halten.