2019 wird ein wichtiges Jahr für die drahtlosen Produktionsmittel. Auf vielen Ebenen werden die Weichen gestellt, welche Frequenzen in Zukunft genutzt werden können.
„5G-Strategie für Deutschland“ der Bundesregierung
Aktuell bestimmen die Digitalisierungsbemühungen der Bundesregierung und die geplante Versteigerung der 2 GHz- und 3,6 GHz-Spektren die öffentliche Diskussion. Unter dem Stichwort 5G wird eine flächendeckende Versorgung der Bundesrepublik mit mindestens 100 Megabit angestrebt. Dabei wird selten zwischen dem neuen Übertragungsstandard 5G und den Frequenzen unterschieden, auf denen er eingesetzt werden soll: Hauptsache eine bundesweite Versorgung!
Alle Experten sind sich einig, dass der Bereich 3,6 GHz zwar für die Übertragung großer Datenmengen geeignet ist, aber nicht für eine flächendeckende Versorgung. Die kurzwelligen Frequenzen haben nur eine Reichweite von höchstens einem Kilometer. Es wäre ein Meer von Antennen notwendig, um ganz Deutschland zu versorgen. Bei ihren Klagen gegen die Vergabebedingungen haben die Mobilfunkunternehmen auf diesen Umstand hingewiesen. Eine Abdeckung der ländlichen Gebiete ist wirtschaftlich mit langwelligeren Frequenzen wie im UHF-Band vertretbar.
Hinter den Kulissen wird nach einem Ausweg gesucht, um dennoch eine flächendeckende Versorgung mit hohen Datenraten zu erreichen. Ein Lösungsansatz ist eine Kombination aus dem 3,6 GHz- und dem 600 MHz-Band: 3,6 GHz für die Ballungsräume und das 600 MHz-Band für die Fläche und Verkehrswege. Das 600 MHz-Band wäre aufgrund seiner hohen Reichweiten dazu geeignet. Aber auch das vom Mobilfunk bereits ersteigerte 700 MHz-Spektrum wäre eine Alternative und könnte für die Datenübertragung mit 5G eigesetzt werden. Mit der als „Kompromiss“ getarnten Lösung unter Einbeziehung des 600 MHz-Bands könnte sich der Mobilfunk somit aber geschickt ein „Frequenzpolster“ zulegen.
Der Einsatz des 600 MHz-Bandes (Digitale Dividende 3) zur Problemlösung würde unmittelbar die drahtlosen Produktionsmittel treffen. Sie sind gerade aus dem 700 MHz-Band in den Bereich von 470 – 694 MHz umgezogen (Digitale Dividende 2). Das 700 MHz-Band ist jetzt geräumt und soll mit LTE belegt werden. Die Mikrofonnutzer haben darauf vertraut, bis mindestens 2030 den Bereich 470 – 694 MHz nutzen zu können und in entsprechendes Equipment investiert. Ihre Zuversicht begründet sich zum einen darin, dass TV-Lizenzen für dieses Spektrum bis 2030 ausgestellt sind und zum anderen, dass erst auf der Weltfunkkonferenz 2023 (WRC-23) über die zukünftige Verwendung des gesamten TV-UHF-Spektrums entschieden werden soll.
Weltfunkkonferenz 2019
Das könnte sich aber schlagartig bei der Weltfunkkonferenz (WRC-19), die vom 28. Oktober bis zum 22. November 2019 im ägyptischen Sharm el-Sheikh stattfindet, ändern. Neue Frequenzen bzw. die Zuweisung von bisher von drahtlosen Produktionsmitteln genutztem Spektrum an den Mobilfunk stehen nicht auf der Agenda. Im Hintergrund versuchen aber Netzausrüster und Mobilfunkunternehmen schon jetzt die Zuweisung des sogenannten 600 MHz-Bandes (608 – 694 MHz) an den Mobilfunk zu erreichen. Sie begründen dies mit der weltweiten Harmonisierung der Frequenzen für den Mobilfunk und dem wachsenden Frequenzbedarf durch den neuen Übertragungsstandard 5G.
Da jede WRC zu Beginn über ihre Tagesordnung abstimmt, ist nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise die USA gemeinsam mit den afrikanischen Staaten die Digitale Dividende 3 auf die Agenda setzen. Bisher ist noch geplant, dass auf der WRC-19 zur Vorbereitung der WRC-23 nur beschlossen werden soll, welche Untersuchungen und Studien noch durchgeführt werden müssen, um über eine zukünftige Nutzung dieses besonders wertvollen UHF-Spektrums zu entscheiden.
Ende des Antennenfernsehens
Schützenhilfe könnte der Mobilfunk von den Fernsehveranstaltern bekommen. In der Schweiz und in Belgien wird die terrestrische Verbreitung des Fernsehens 2019 eingestellt, weil dieser Verbreitungsweg nur noch wenige Zuschauer hat und die hohen Verbreitungskosten deshalb nicht mehr vertretbar sind. Gleichzeitig erprobt der Bayerische Rundfunk bereits den Einsatz von 5G für die Fernsehübertragung in dem verbliebenen TV-UHF-Spektrum. Mehr Programme mit weniger Spektrum könnte das Ergebnis sein, allerdings ohne Lücke für drahtlose Produktionsmittel.
5G auch für drahtlose Produktionsmittel?
Ob drahtlose Produktionsmittel auch 5G und damit zusätzliches Spektrum nutzen können, ist noch offen. Das im vergangenen Jahr abgeschlossene Forschungsprojekt „PMSE-xG“, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert wurde, hat gezeigt, dass 5G im Prinzip auch bei Funkmikrofonen eingesetzt werden kann.
Ob sich das am Ende tatsächlich realisieren lässt, ist nicht garantiert. Gelingt es 2019 den Standard von 5G im Rahmen der 3GPP („3rd Generation Partnership Project Agreement“) so zu ergänzen, dass er auch die Anforderungen der drahtlosen Produktionsmittel erfüllt? Kann ein Zeitstempel bei 5G integriert werden, damit die Geräte synchron arbeiten können? Kann der Batterieverbrauch beim Einsatz von 5G gesenkt werden, damit die Funkmikrofone auch bei Produktionen verwendet werden können? Erst wenn diese Fragen zufriedenstellend beantwortet werden und keine weiteren grundsätzlichen auftauchen, werden die Hersteller bereit sein, Geräte zu entwickeln. Bis dann die Nutzer auf diese digitale Technik umsteigen und investieren, vergehen weitere Jahre. Ein Zeitraum bis 2030 ist dabei realistisch.
Glaubwürdigkeit und Planungssicherheit
Die EU-Kommission und die Bundesregierung haben den Nutzern der drahtlosen Produktionsmittel immer wieder versichert, dass sie bis mindestens im Jahr 2030 ihr Equipment in dem Kernspektrum 470 – 694 MHz nutzen können, um die Funktionsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft sicherzustellen. Jede Abweichung von diesem Zeitplan würde nicht nur zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit führen, sondern auch alle Planungen zerstören und bei den Produktionen der Kultur- und Kreativwirtschaft Chaos auslösen.
Um bei der WRC-19 nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, reicht es nicht aus, gegen einen entsprechenden Antrag zur Öffnung des 600 MHz-Bandes zu stimmen. Es müssen schon vorher Allianzen mit anderen Staaten geschmiedet werden, damit es überhaupt nicht zu einem Antrag zur Öffnung des 600 MHz-Bandes kommt und der vereinbarte Zeitplan eingehalten wird.
Unsicherheitsfaktor ist dabei die EU-Kommission. Nach der Europawahl im Mai 2019 wird eine neue Kommission gebildet. Es ist zu hoffen, dass sie sich an die Zusagen der aktuellen Kommission gebunden fühlt und nicht bereits bei der WRC-19 versucht, neue Akzente zugunsten des mobilen Internets zu setzen.
„Masterplan PMSE“
Die Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel waren in der Vergangenheit ein Verschiebebahnhof bei Frequenzentscheidungen. Nach der Devise „Mobilfunk first“ wurde Spektrum an den Mobilfunk versteigert und danach nach Lösungen für Funkmikrofone gesucht. Man hat sich dabei die Zersplitterung der Kultur -und Kreativwirtschaft zunutze gemacht, die sich häufig der Tragweite der Frequenzentscheidungen nicht bewusst und deshalb nicht organsiert ist.
Als Trostpflaster wurde im Rahmen von „Billigkeitsrichtlinien“ Geld für die wertlos gewordenen Geräte zur Verfügung gestellt. Dabei wurde ein bürokratisches Verfahren gewählt, das den Aufwand für eine Erstattung nicht lohnte.
Da der Bedarf an Spektrum bei Veranstaltungen und Produktionen immer weiter zunimmt, kommt die Kultur- und Kreativwirtschaft bei vielen Veranstaltungen inzwischen an ihre Grenzen. 2019 verschärft sich die Situation noch, wenn der Mobilfunk das 700 MHz-Band ausbaut. Das kleine, verbliebene TV-Spektrum müssen sich die Fernsehsender und die drahtlosen Produktionsmittel teilen. In vielen Gebieten wird es dann nur noch wenige freie TV-Kanäle für Funkmikrofone geben.
Da die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie ein großer Teil der öffentlichen Kommunikation auf funktionierende drahtlose Mikrofone angewiesen sind, ist eine planbare Frequenz-Ausstattung erforderlich. Damit dies kein Lotteriespiel wird, muss die Bundesregierung 2019 einen „Masterplan PMSE“ (Programme Making and Special Events) vorlegen, aus dem unter Berücksichtigung des wachsenden Frequenzbedarfs bei Produktionen und Veranstaltungen zu erkennen ist, welche Spektren langfristig für den Einsatz drahtloser Produktionsmittel zur Verfügung stehen. Als Inhaber der Kulturhoheit müssen die Länder den Bund im Zweifel dazu zwingen.
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