Seit dem Frühjahr 2018 ist TOKUNBO mit ‚The Swan‘ bundesweit live auf Tournee. 2019 eröffnet sie mit der NDR Radiophilharmonie die Freistil-Saison im Kuppelsaal Hannover. 2020 gewinnt sie als erste Schwarze Künstlerin die International Acoustic Music Awards (IAMA) in der Kategorie ‚Best Female Artist‘ und beweist damit einmal mehr: Leise ist das neue Laut. Als Stimme von Tok Tok Tok blickt Tokunbo Akinro bereits auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. In 15 Jahren veröffentlichte die Acoustic-Soul-Band 13 Alben, bis sie sich 2013 auflöste. Als TOKUNBO erfand sich die Sängerin daraufhin neu.
Wie geht es Ihnen nach einem Jahr Pandemie?
Ich bin erstaunlich motiviert.
Zwar war es ein sehr kräftezehrendes Jahr, in dem bis auf wenige Auftritte alle Konzerte abgesagt wurden und ich immer wieder in die Situation kam, meiner Band beibringen zu müssen, dass schon wieder ein Tourabschnitt wegbricht. Aber durch die intensive Auseinandersetzung mit der Situation im gesamten letzten Jahr, zum einen mental, aber auch über das Akquirieren neuer technischer Fertigkeiten, fühle ich mich indes gewappnet für die Zukunft, die in unserer Branche noch die nächsten drei bis vier Jahre beschwerlich sein wird.
Mit der Initiative #AirplayForArtists, die ich mit zwei befreundeten Kollegen ins Leben gerufen habe, konnten wir im letzten Jahr zudem einiges bewegen und haben bewirken können, dass vermehrt Musik unabhängiger Künstler:innen im Radio gesendet wurde.
Zum einen konnten wir damit Sichtbarkeit und zum anderen ganz konkret Hilfe schaffen, denn für jeden Song, der im Radio oder Fernsehen ausgestrahlt wird, wird an die komponierenden Künstler:innen eine Urheberrechtstantieme ausgeschüttet.
Der enorme Zusammenhalt innerhalb der Branche berührt mich in dieser Zeit immer wieder, und drückt sich in großartigen Initiativen und Plattformen aus, die aus der Situation erwachsen sind.
So hat die Kölner Singer-Songwriterin Christina Lux mit Kuenstlerartenschutz.de eine Plattform geschaffen, auf der sie in liebevollster Art und Weise befreundete Kolleg:innen vorstellt und so ihre Fans mit neuen Künstler:innen vernetzt.
Ähnlich auch die Hamburger Soulsängerin Miu mit ihrer Plattform ‚Let’s Get Physical‘, einer Entdeckerplattform für Musikliebhaber, die mit einem Klick dort entdeckte Künstler:innen über deren Shop unterstützen können.
Und nicht zuletzt die Aktionen des Bündnisses #AlarmstufeRot, die immer wieder in Erinnerung rufen möchten, was auf dem Spiel steht, nämlich der Verlust der Vielfalt innerhalb unserer Kulturlandschaft, sei es durch die Schließung von insbesondere kleineren Auftrittsorten aber auch die Gefährdung größerer Institutionen.
Das alles macht mir Mut, dass wir gemeinsam durch diese Krise gehen können.
Welche Hoffnungen setzen Sie auf das weitere Jahr – haben Sie neue Projekte?
Ich nutze dieses Jahr, in dem schon wieder sämtliche Konzerte bis zum Sommer entweder bereits abgesagt worden sind oder auf der Kippe stehen, für die Produktion meines nächsten Albums. Unterstützt werde ich dabei von meiner wunderbaren Band.
Im letzten Jahr habe ich die Songs geschrieben, und jetzt soll es ins Studio gehen, um die Aufnahmen umzusetzen. Dafür plane ich gerade ein Crowdfunding-Projekt auf der Plattform Startnext, denn eine Kreuzfinanzierung aus Konzerten, wie sie in der Vergangenheit möglich war, fällt aufgrund der aktuellen Lage natürlich weg.
Darüber hinaus bin ich an anderen Produktionen und Projekten beteiligt, die im Laufe des Jahres an die Öffentlichkeit gehen.
Darunter eine Kampagne der Kinderhilfsorganisation World Vision, die sich für den Schutz von Kindern in fragilen Kontexten, insbesondere dem Schutz vor Gewalt an Kindern auf der Flucht einsetzt, eine Problematik, die sich während der Pandemie verschärft hat.
Dafür haben sich 16 Sänger- und Musiker:innen zusammengefunden und eigens für die Kampagne über die Distanz hinweg den schönen Song ‚Mehr als 1000‘ aufgenommen. Mit dabei sind Künstler:innen wie Jan Plewka, die Weltmusikkünstlerin Canan Üzerli und die Songwriterin Diane Weigmann, die den Song komponiert hat. Am 10. Juni startet die Kampagne und ich freue mich, mit meinen großartigen Kolleg:innen hinter diesem wichtigen Anliegen zu stehen.
Nutzen Sie manchmal Funkmikrofone oder In-Ear-Systeme, für die Sie Frequenzen brauchen?
Auf der Bühne nutze ich immer wieder auch Funkmikrofone und In-Ear-Systeme, so auch bei meinem letzten Konzert vor dem ersten Lockdown mit der NDR-Radiophilharmonie.
Bei so einem Cross-Over-Projekt mit klassischem Orchester und Jazzband und mit über 60 Menschen auf der Bühne, ist das die einzige Möglichkeit dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten auf der Bühne und auch das Publikum in einem großen Konzertsaal ein angenehmes Hörerlebnis hat.
Gibt es Wünsche an die Politik?
Leider höre ich inzwischen von mehr und mehr Kolleg:innen, die nach einem Jahr die Bilanz für sich ziehen, den Beruf Musiker:in komplett aufzugeben. Das ist nach dieser langen Durststrecke kaum verwunderlich.
Nachdem viele Solo-Selbständige durch die Raster der Überbrückungshilfen l und ll gefallen sind, habe ich jedoch die Hoffnung, dass die Novemberhilfe, die Überbrückungshilfe lll und die aktuelle Neustarthilfe bei mehr Kulturschaffenden greift.
Insgesamt wäre es wünschenswert, dass die Länder ihre Programme vereinheitlichen würden: für viele Musiker:innen war es frustrierend mit anzusehen, wie in einigen Bundesländern Soforthilfen unkompliziert gewährt wurden, während sie selbst in anderen Ländern durch sämtliche Raster fielen.
Auch die Anzahl der ausgeschriebenen Stipendien hat von Land zu Land sehr variiert und es Musiker:innen in manchen Bundesländern erschwert, überhaupt Unterstützung zu bekommen.
Aus diesem Grund brauchen wir einen fortlaufenden Dialog mit der Politik, um über die Lebensrealitäten von Musiker:innen, Bühnenarbeiter:innen und anderen Menschen aus dem Kulturbereich aufzuklären, damit die Hilfsprogramme ihren Situationen angepasst werden können, denn schon die falschen Referenzzeiträume und das Nichtberücksichtigen der in unserer Branche üblichen Vorläufe können sich fatal auswirken und dafür sorgen, dass Antragsstellende keine Zuwendung bekommen.
Nicht zuletzt müssen wir auch immer wieder in Erinnerung rufen, dass die Kultur- und Kreativbranche mit 1,8 Millionen Personen der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands ist und damit eine nicht unerhebliche gesamtwirtschaftliche Bedeutung hat.
Wann und wo kann man/frau TOKUNBO wieder erleben?
Am 10. April stehe ich im Rahmen der Livestream-Konzertreihe ‚Press Play‘ mit der Singer Songwriterin Christina Lux auf der Bühne. Wir werden unsere beiden Programme zu einem schönen Konzert verweben und einander gegenseitig musikalisch unterstützen.
Begleitet werde ich von dem Gitarristen Ulrich Rode und der Geigerin Anne de Wolff und Christina von ihrem langjährigen Partner in Crime Oliver George.
Ob die Konzerte, die danach geplant sind, am 8. Mai Schloss Landestrost und am 12. Juni Schloss Agathenburg, tatsächlich stattfinden, kann ich im Moment nicht einschätzen, wir hoffen es natürlich.
Aktuelle Infos dazu und zu meinem Crowdfunding gibt es auf meiner Website tokunbomusic.com.
Das Interview mit „SOS – Save Our Spectrum” führte Jochen Zenthöfer am 17. März 2021.
Fotos: Anne de Wolff
Links TOKUNBO:
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Spotify: http://spoti.fi/3eMJb9I
Apple Music: https://music.apple.com/de/artist/tokunbo/387006433
Weitere Links:
#AirplayForArtists: https://bit.ly/2ysbJCv
Kuenstlerartenschutz: https://www.kuenstlerartenschutz.de
Lets Get Physical: https://www.letsgetphysical.net/
#AlarmstufeRot: https://www.alarmstuferot.org