Bündnis 90 / Die Grünen: Antworten auf die Wahlprüfsteine von SOS Save our Spectrum

Bündnis 90 / Die Grünen: Antworten auf die Wahlprüfsteine von SOS Save our Spectrum

Bündnis 90 / Die Grünen: Antworten auf die Wahlprüfsteine von SOS Save our Spectrum 832 501 SOS - Save our Spectrum

Unsere Initiative, vor allem von Künstler:innen getragen, will störungsfreies Frequenzspektrum für Funkmikrofone, In-Ear-Systeme, Talkback- Systeme usw. sichern. Doch Frequenzen sind nur begrenzt vorhanden und werden von den Behörden regelmäßig neu verteilt. Sind Sie auch dieser Meinung?

Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass der Sub-700-Bereich langfristig für Rundfunk und PMSE (Programme Making and Special Events) erhalten bleibt, so wie es der Beschluss der Weltfunkkonferenz 2015 vorsieht. Frequenzen sind ein öffentliches Gut. Wenn das reservierte Spektrum für Funkanwendungen des Durchsage- und Reportagefunks sowie für drahtlose Mikrofone und Kameras nicht ausreicht, muss die Bundesnetzagentur zusätzliche Frequenzen freigeben. Sowohl Rundfunksender und PMSE als auch Netzbetreiber brauchen größtmögliche Planungssicherheit. Wie in anderen Ländern muss auch verstärkt die Vergabe von Allgemeinlizenzen (Wifi Whitespace) erprobt werden. Grundsätzlich halten wir es für sinnvoll, die Frequenzregulierung noch stärker europäisch zu harmonisieren, insbesondere um Probleme in den Grenzregionen, wie sie bereits im Zuge der Umstellung auf DVB-T2 diskutiert worden sind, zu vermeiden.

Wir brauchen die „Kulturfrequenzen“. Das ist der Bereich 470 und 694 MHz. Dieses Spektrum heißt „TV-UHF“, weil es auch der Rundfunk zur Fernsehübertragung nutzt. Wie sehen Sie die Zukunft der terrestrischen Fernsehübertragung, mit der wir das Band seit Jahrzehnten in guter Koexistenz teilen?

Kultur und terrestrischer Rundfunk sind auf das ihnen derzeit zur Verfügung stehende Spektrum dringend angewiesen. Es hat technische Eigenschaften, die andere Frequenzbereiche nicht vorweisen können. Bislang ist der Kultur und dem Rundfunk das UHF-Band bis Dezember 2030 garantiert. Vor diesem Hintergrund wurden viele Investitionsentscheidungen getroffen. Wir GRÜNE wollen, dass das Garantieversprechen eingehalten wird. Aber auch nach dem Jahr 2030 müssen störungsfreie Frequenzen für Kultur und Medien im UHF-Band zur Verfügung stehen. Das gilt auch für andere unabhängiger Nutzer*innen wie die Freifunk-Initiativen. Der Mobilfunk sollte dagegen seine Bemühungen fortsetzen, neue Sendestandorte zu erschließen und die Übertragungskapazitäten auch nach 2030 durch eine ausreichend dimensionierte Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dazu muss das Glasfasernetz weiter ausgebaut werden.

Sollte Deutschland bei der Weltfunkkonferenz Ende 2023 in Dubai bei seinem (aus unserer Sicht guten) Standpunkt bleiben, dass über den Bereich zwischen 470 und 694 MHz nicht vor 2027 entschieden wird und vorher, wie bislang geplant, erst einmal Studien über die Nutzungsbedarfe einzuholen sind?

Während der nächsten Weltfunkkonferenz im Jahr 2023 soll über die Zukunft dieses Bandes verhandelt werden. In Deutschland finden, wie in allen anderen Ländern, nationale Vorbereitungen statt. Die Bundesnetzagentur hat eine Studie über die Nutzung des UHF-Bandes in Auftrag gegeben, ein richtiger und wichtiger Schritt. Die Ergebnisse müssen transparent kommuniziert werden, und bei den Verhandlungen im Rahmen der Weltfunkkonferenz sollten die Studienergebnisse zwingend Beachtung finden.

Die EU und Deutschland (unter anderem auch der Bundesrat) haben den Bereich zwischen 470 und 694 MHz bis Ende 2030 der Nutzung durch Künstler:innen (englische Fachabkürzung: PMSE – Programme Making and Special Events) zugesagt. Soll dieses wichtige Versprechen eingehalten werden?

Ja, denn mit einer solchen Perspektive schützen wir die kleinen und mittelständischen funktechnischen Betriebe und auch die Rundfunkveranstalter. Dank der anonymen Nutzbarkeit und der Unabhängigkeit des Systems vom Mobilfunk ist terrestrischer Rundfunk auch im Krisen- oder Katastrophenfall immer nutzbar. Aus Sicherheitsgründen braucht Deutschland einen Übertragungsweg (DVB-T2, 5G-Broadcast-Technik), der autonom zur Verfügung steht, ohne Einflussmöglichkeiten von Dritten. Wir sollten uns nicht in eine vollständige Abhängigkeit von den Mobilfunkkonzernen begeben. Mehrere voneinander unabhängige Systeme sind daher besser als eine Mobilfunk-Monokultur.

Wir konkurrieren bei der künftigen Nutzung mit dem Mobilfunk. Dieser hat bereits 1300 MHz Spektrum, das er bei weitem nicht nutzt. Das TV-UHF-Band würde dem Mobilfunk, aus physikalischen Gründen, nur 3 % mehr Spektrum bringen, für unsere Kultur aber 100 % Verlust bedeuten. Sehen Sie das auch so?

Sowohl für Kultur und Rundfunk als auch für Mobilfunkanwendungen muss Frequenzspektrum in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Die Kulturfrequenzen wurden seit dem Jahr 2010 bereits zweimal beschnitten. Die erhöhte Nutzung des Mobilfunks während der Pandemie hat keinerlei Ressourcenknappheit gezeigt. Ein Ungleichgewicht zwischen Kultur und Mobilfunk gilt es zu verhindern. Für den Mobilfunk wäre das UHF-Band zudem nur eine marginale Zugabe an Übertragungskapazität. Auch ist noch nicht absehbar, ob die weitere Digitalisierung und der Einsatz von 5G dem Rundfunk, der Kulturwirtschaft und der Veranstaltungsbranche als effiziente Alternative zur Verfügung stehen werden.

Der Mobilfunk kann Funklöcher durch die Antennentechnik MIMO und nationales Roaming lösen. Das kostet vielleicht ein bisschen mehr als neue Frequenzen zu bekommen. Aber diese Lösung würde die „Kulturfrequenzen“ erhalten. Werden Sie uns auch in der nächsten Legislaturperiode unterstützen?

Für Gebiete, in denen bisher nur ein Netzbetreiber ausgebaut hat („Graue Flecken“), existiert bereits jetzt ein praktikabler und von EU-Seite geregelter Lösungsansatz: verpflichtendes Roaming. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) untersuchte kürzlich drei regulatorische Möglichkeiten der Netzabdeckung: freier Wettbewerb, Kooperation durch Network Sharing und Kooperation durch nationales Roaming. Das Ergebnis ist eindeutig: Regularien zu nationalem Roaming führen zur besten Netzabdeckung in ländlichen Gebieten: 74,6 Prozent der Bewohner*innen hätten jetzt schon auf Basis des derzeitigen Ausbauzustandes mit Roaming eine angemessene Mobilfunkversorgung zur Verfügung. Seit Jahren setzen wir GRÜNE uns für eine verpflichtende Roaming-Regelung ein, die Ausbaukosten und Mastendichte reduzieren könnte. Im novellierten Telekommunikationsgesetz kann lokales Roaming in bestimmten Einzelfällen und unter strengen Bedingungen von der Bundesnetzagentur angeordnet werden. Ob solch ein beschränktes Werkzeug in der Praxis eingesetzt wird und überhaupt eine Wirkung entfaltet, muss geprüft werden.

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