In der Schweiz wird im kommenden Jahr das terrestrische Fernsehen abgeschaltet, weil es nicht mehr genügend Zuschauer gibt. Eine Umstellung auf DVB-T2 HD wie in Deutschland wird es nicht geben. Die Schweizer Regulierungsbehörde BAKOM will trotzdem die freiwerdenden TV-Frequenzen nicht vorzeitig an den Mobilfunk vergeben, sondern die Entscheidung der Weltfunkkonferenz 2023 abwarten. Zunächst müsse auch geklärt werden, in welchem Frequenzbereich die drahtlosen Produktionsmittel in Zukunft untergebracht werden, so die BAKOM
Anders die Bundesnetzagentur: Sie hat ihrem Beirat angekündigt, dass bereits auf der Weltfunkkonferenz 2019 (28.10. – 22.11.2019 in Sharm el-Sheikh, Ägypten) die Weichen für die Zuordnung des sogenannten 600 MHz-Bandes an den Mobilfunk gestellt werden. Das wäre die Digitale Dividende III und das Ende des Antennenfernsehens. Diesen Empfangsweg nutzen derzeit noch 6 Prozent der deutschen TV-Haushalte – zwischen 2 Prozent in Baden-Württemberg und 17 Prozent in Bremen.
Gravierender Frequenzverlust droht
Die Einstellung des terrestrischen Fernsehens und eine anschließende Versteigerung des Spektrums an den Mobilfunk hätte jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Fernsehlandschaft. Sie würde sich auch massiv auf die drahtlosen Produktionsmittel auswirken. Denn das UHF-TV-Band ist das Kernspektrum für ihren Einsatz. Kein anderer Frequenzbereich eignet sich so gut. Funkmikrofone und In-Ear-Systeme nutzen die freien TV-Kanäle im Fernsehspektrum. Solche Lücken gibt es beim Mobilfunk nicht.
Das EU-Parlament und der Rat haben im Mai 2017 entschieden, dass terrestrisches Fernsehen in Europa noch mindestens bis 2030 im UHF-TV-Band von 470 – 694 MHz ausgestrahlt werden kann. Die Bundesregierung hat dies immer wieder bestätigt. Die ARD und freenet haben sich darauf verlassen und in den Aufbau einer Netzinfrastruktur mit DVB-T2 HD investiert. Die Nutzer drahtloser Produktionsmittel haben sich nach der Räumung des 700 MHz-Bandes Geräte in diesem Bereich angeschafft.
Aus Fehlern lernen – Vertrauen schaffen
Das Vertrauen der Kultur- und Kreativwirtschaft in die Politik ist jedoch erschüttert. Trotz mehrfacher Zusagen, dass es keine Digitale Dividende II geben werde und man bedenkenlos mit den Funkmikrofonen aus dem 800 MHz-Spektum in den 700 MHz-Bereich wechseln könne, wurde dieses Band dann doch versteigert. Ersatzspektrum für drahtlose Produktionsmittel gibt es noch immer nicht. Das darf sich nicht wiederholen! Um dies zu verhindern, reicht es aber nicht aus, lediglich zu erklären, an dem verabredeten Zeitplan festzuhalten. Da die Entscheidungen in der Weltfunkkonferenz 2019 getroffen werden, muss sich die Bundesregierung vielmehr bereits im Vorfeld international positionieren und Verbündete suchen, damit sie nicht überstimmt wird.
Ist 5G die Lösung?
Der Lockstoff für eine vorzeitige Zuordnung des 600 MHz-Bandes an den Mobilfunk ist das Versprechen eines flächendeckenden Ausbaus mit 5G. Ein Blick auf die Zusagen zum Ausbau mit LTE zeigt, wie lange diese halten. Der Zeitplan für die Überprüfung des TV-Spektrums war nicht willkürlich, sondern beruhte auf einer Abwägung der technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Gegenwärtig wird insbesondere in Deutschland mit Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums noch untersucht, ob und wie 5G als Übertragungsstandard auch bei drahtlosen Produktionsmitteln eingesetzt werden kann. Damit könnte man neue Frequenzbereiche für die Kultur- und Kreativwirtschaft erschließen. 2025 ist mit ersten Prototypen zu rechnen. Wann die Massenproduktion starten kann, und wie viel die neuen Geräte dann kosten werden, ist noch offen.
Ersatzfrequenzen sind ein Muss
Auch wenn dies gelingt und der Zeitplan eingehalten wird, beginnt spätestens bei der Vorbereitung der Weltfunkkonferenz 2023 die Diskussion um das 600 MHz-Band. Sie macht aber nur dann Sinn, wenn man akzeptiert, dass es keinen Automatismus für die Zuordnung des 600 MHz-Spektrums an den Mobilfunk gibt. Will man nicht den Kollaps der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Rundfunkproduktion sowie vieler Veranstaltungen riskieren, bei denen Funkmikrofone eingesetzt werden, bedarf es genauer Analysen und Folgenabschätzung. Es müssen rechtzeitig ausreichend Ersatzfrequenzen ausgewiesen und ein abgestimmter Migrationsplan entwickelt werden. Da viele der Geräte in öffentlichen Einrichtungen wie Theatern, Schulen und Kongresszentren eingesetzt werden, ist es unumgänglich, die notwendigen Mittel für die Ersatzbeschaffung bereit zu stellen.
Eine Entscheidung im Hauruckverfahren bei der Weltfunkkonferenz würde dem nicht gerecht.
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