Pantheon in Bonn: „Wir lieben unser Theater, wir werden alles tun um es zu erhalten.“

Pantheon in Bonn: „Wir lieben unser Theater, wir werden alles tun um es zu erhalten.“

Pantheon in Bonn: „Wir lieben unser Theater, wir werden alles tun um es zu erhalten.“ 2000 1062 SOS - Save our Spectrum

Martina Steimer ist die Künstlerische Leiterin des legendärem Pantheon-Theater in Bonn-Beuel. Das Pantheon ist eine der renommiertesten Kleinkunstbühnen im deutschsprachigen Raum. Auch hier leiden Künstlerinnen und Künstler unter der Krise.

Wie stellt sich die Situation für das Pantheon momentan dar?

Wir sind rein privatwirtschaftlich aufgestellt. Seit Mitte März verlieren wir monatlich rund 50.000 Euro Umsatz in der Woche, die uns auch über die immer schwierige Sommerpause helfen sollten. Wir sind sofort Mitte März angesichts des Lockdowns in Kurzarbeit gegangen, versuchen seitdem immer wieder neu Shows durch Verlegung zu retten, die ständig wieder verschoben werden müssen – zuerst wurde eine Schließung bis 31.3. angeordnet, dann bis zum 19.4., dann bis zum 3.5. und mittlerweile wird gar nicht mehr über eine Begrenzung dieser Zeit gesprochen, sondern nur noch über gravierende Maßnahmen, die sich ausschließlich voll subventionierte Häuser leisten können.

In unseren aktuellen Newsletter erklären wir die gravierenden wirtschaftlichen und atmosphärischen Implikationen. [Anmerkung von SOS: Den Newsletter haben wir unter dem Interview im Volltext angefügt.] Würden wir unter diesen Umständen das Theater wieder öffnen, würden wir nicht nur jeden Tag massiv draufzahlen, sondern es liefe uns auch noch das verbliebene Publikum weg.

Gerade ein kleines Kabarett-Theater und ein Club leben von der Nähe, der Wärme, dem Miteinander. Die Auflagen erfordern genau das Gegenteil. Heißt also: Wir sind in Zwangspause, wissen nicht, wann und wie wir wieder aufmachen können, bekommen ab nächsten Monat wenigstens die Miete gestundet (nicht erlassen!), verkaufen keinerlei Tickets mehr, und wären wir nicht so ein tolles Team, hätte uns bestimmt schon die Verzweiflung übermannt. Wir waren ein grundsolider Betrieb mit 2,5 Millionen Umsatz im Jahr, ohne Schulden und zum Glück mit Rücklagen – ohne wären wir jetzt schon platt. Aber wenn das so weiter geht, halten die auch nur noch eine begrenzte Zeit.

Welche Probleme haben Sie als Spielstätte und die mit Ihnen verbundenen Künstler/innen?

Es gibt viele soloselbstständige Künstler, die praktisch keine Unterstützung bekommen, auch keine Rücklagen haben und von einem Tag auf den anderen nur noch die Chance hatten, in die Grundsicherung abzuwandern. Und vorher Teile ihrer Altersvorsorge abzufrühstücken, wenn sie denn vorhanden war. Das ist eine Katastrophe für die Existenz, aber auch für die Seele.

Ich erlebe es an mir selbst: Von einem Tag auf den anderen bin ich von einer erfolgreichen Unternehmerin zu einem „nicht systemrelevanten“ Stubenhocker geworden. Nicht, dass wir nicht viel arbeiten müssten, fast mehr als vorher: So viele Menschen möchten wissen, was mit ihren Tickets ist, bitten um Erstattung und Umschreibung, Künstler und Agenturen kommunizieren mit uns über den Fortgang der Arbeit. Aber es ist keine schöne, konstruktive Arbeit, da ihr im Moment jede Perspektive fehlt und die Hoffnung darauf seit Monaten immer wieder enttäuscht wird. Immer mehr ist das Gefühl, dass wir nur unseren Niedergang verwalten.

Und würden wir wieder öffnen mit den gegebenen Auflagen, würde sich dieser noch rasant beschleunigen, denn dann müssten wir das Personal wieder aus der Kurzarbeit holen und alle Kosten wieder auf 100 Prozent hochfahren, während wir nur um die 25 Prozent an Gästen ins Theater lassen dürften, die Gastro (unsere Haupteinnahme) nicht funktionieren und noch viele andere kostspielige Einschränkungen greifen würden. Heißt also: Einem minimalen Teil der bisher möglichen Einnahmen stehen viel höhere Ausgaben gegenüber, die durch die besondere Situation wie Hygienemaßnahmen so angestiegen sind.

Andererseits: Wenn wir nicht bald öffnen, verlieren wir irgendwann die Unterstützung des Publikums und der Künstler. Denn nichts ist toter als ein geschlossenes, leeres Theater. Aber eine Öffnung würde uns mit den bestehenden Auflagen ein monatliches Defizit von mindestens 60.000 Euro bescheren, die wir im Moment durch die Schließung nicht haben. Was man auch macht ist falsch und kann den Kopf kosten.

Erleben Sie Solidarität?

Ja, sehr viel. Der Förderverein ist sehr rege, viele Menschen spenden. Wir bekommen auch einiges an aufmunternden Briefen – bis zu einem, wo auf dem Umschlag nur stand „durchhalten“ und drinnen war ein 500 Euro-Schein. Das ist schon toll. Aber wir müssen realistisch sein: Bei den oben schon erläuterten Kosten ist das zwar eine wunderbare Unterstützung, die uns gerade sehr hilft, aber die monatlichen Kosten eines großen Theaters wie des Pantheon erfordern mehr als viele engagierte Privatleute.

Eine langfristige Sicherung kann nicht nur über lauter begrenzte Einzelspenden funktionieren. Wenn das Theater überleben will, muss es wieder Fahrt aufnehmen können – oder eine sehr hohe regelmäßige öffentliche Förderung erfahren. Aber das ist nicht, was wir wollen, wir waren immer stolz auf unsere Unabhängigkeit und unser gutes Wirtschaften.

Was erhoffen Sie sich von der Politik in Bund und im Land Nordrhein-Westfalen?

Mehr Blick auf die freien, kleinen Theater – so viele der verhängten Auflagen sind so weltfremd, dass ja nicht nur wir, sondern auch fast alle Kollegen das Haus lieber geschlossen halten, weil eine Öffnung nicht zu finanzieren ist. Das sagt bereits eine ganze Menge angesichts einer Branche, die traditionell selbstausbeutend mit wenig Geld arbeitet. Viele öffentlich geförderte Stadttheater dagegen begreifen die neue Situation als künstlerische Herausforderung, der sie mit neuen Formaten begegnen können. Wenn es egal ist, ob 800 oder nur 120 Leute im Saal sitzen (so wie etwa im Schauspiel Bochum), für den ist das vermutlich auch durchaus ein spannender Ansatz.

Wir Privaten bemühen uns aber im Moment nur verzweifelt, unsere verbliebenen „Kröten“ zusammenzuhalten und auf die nächste Presseverlautbarung zu Infektionszahlen und Abstandregeln zu lauern, in der Hoffnung, dass endlich mal der Durchbruch kommt, mit dem wir wieder arbeiten können. Und wir dann nicht direkt wieder durch die vielbeschworene „zweite Welle“ ausgebremst werden, die zu allem anderen auch wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen schwingt.

Wissen Sie schon, wie es mit dem Pantheon weitergeht?

Kurz und knapp: Nein! Wir haben, wie eben erläutert, das große Glück respektabler Rücklagen, die uns bis nach dem Sommer über Wasser halten können. Wir würden auch durch private Einlagen das Theater noch etwas länger sichern können, um unser Lebenswerk ebenso zu erhalten wie den Arbeitsplatz für viele langjährige Mitarbeiter. Aber ohne Perspektive macht das irgendwann keinen Sinn mehr, dann kann man auch lieber ein Ende mit Schrecken, als einen Schrecken ohne Ende herbeiführen.

Bei aller Verzweiflung, die mein Statement sicher ausstrahlt: Wir lieben unser Theater, wir werden alles tun, um es zu erhalten. Aber das liegt nicht nur an uns. Wenn die Menschen auch weiterhin so in Angst und Schrecken vor das Virus versetzt werden, wird es sowieso lange dauern, bis sie wieder in die Theater kommen. Man sieht es ja auch schon in den Gastronomiebetrieben, die jetzt seit einigen Tagen wieder öffnen dürfen.

Da ist die gähnende Leere keinesfalls nur durch die weitgestreute Bestuhlung ausgelöst, die Gäste weichen nur auf die Außenbereiche aus (soweit vorhanden), weil das als sicherer erachtet wird. Leider kein praktikables Modell für ein Theater, das nicht auf permanent trockenes und warmes Wetter hoffen kann.

Das Interview führte Dr. Jochen Zenthöfer von der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“ am 22. Mai 2020.

Foto: Privat


Der aktuelle Newsletter vom Pantheon (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Pantheon Theaters):

Liebe Mitglieder, Gäste, FreundInnen,

und vor allem: Liebe Menschen, mit denen wir gemeinsam unvergessliche, ekstatische, umwerfende und berührende Abende im Pantheon erlebt haben! Wir vermissen Sie alle genauso wie die wunderbaren Künstler, die sonst täglich unser Haus bevölkern. Uns fehlt die Theateratmosphäre, das Summen im Publikumsraum das bis kurz vor Beginn anschwillt, uns fehlen unsere Kollegen, der Spass, ja, sogar der Stress, die Spannung und das soziale Miteinander schmerzlich. Gerade in Zeiten, wo letzteres wichtiger ist denn je, darf es nicht stattfinden und der Verlust lässt uns noch ängstlicher, trauriger und einsamer zurück. Aus einer anfänglich für 2 und dann für 4 Wochen angesetzten Spielpause ist ein noch nicht absehbarer Stillstand geworden, während sich in den sozialen Netzwerken die Menschen verbal an die Gurgel gehen weil sie nicht einer Meinung sind angesichts der unzweifelhaft gravierenden Auswirkungen, die das Virus auf unsere Welt hat. Gerade in dieser Zeit könnte die Kultur helfen, schlichten, verbinden und Leute wieder miteinander ins Gespräch bringen. Aber es geht ja nicht….

Halt, werden Sie vielleicht sagen – letzte Woche wurden doch Lockerungen entschieden, man kann bald wieder Theater spielen, Konzerte geben, die Häuser öffnen. Natürlich haben wir uns wie alle anderen Theater zuerst gefreut wir irre – juhu, noch einen Teil des Programms bis zum Sommer retten, endlich wieder arbeiten, Kultur genießen! Bis im Laufe der nächsten Stunden die Auflagen bekannt wurden, die für eine Öffnung nötig wären. Am Gravierendsten: Das Theater könnte nur ca. 25 % seiner üblichen Kapazität besetzen, also rund 100 Gäste einlassen. Damit stehen wir natürlich schon super da gegenüber kleinen Zimmertheatern, die teilweise bei 8 oder 13 verbleibenden Plätzen stehen. Nicht nur die Stühle müssten drastisch reduziert werden, sondern auch Verkehrswege verbreitert, Toilettenbesuche massiv eingeschränkt werden, Pausen wären nicht erlaubt, teilweise große Abstände auf der Bühne zwischen den Akteuren eingehalten werden.

Wir haben dann schweren Herzens (wie auch viele andere Kollegen) entschieden, unser Theater wenigstens bis zu den Sommerferien nicht zu öffnen. Der atmosphärische Verlust wäre ebenso groß wie der finanzielle, selbst wenn die möglichen 100 Plätze immer voll wären – was wir angesichts der Ängste vieler Menschen vor Ansteckung sowieso bezweifeln.

Das Pantheon arbeitet rein privatwirtschaftlich. Wir bekommen keinerlei Subventionen, alle unsere Einnahmen sind selbst erwirtschaftet, unterstützt durch einen glücklicherweise sehr aktiven Förderverein. Wir beschäftigen um die 50 Mitarbeiter, über ein Dutzend davon in Festanstellung, für die wir glücklicherweise im Moment teilweise Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen können. Außerdem stundet uns die Stadt Bonn seit diesem Monat die Miete – das ist zwar nur ein Aufschub für die Zahlung, hilft aber natürlich erst einmal und wir möchten uns dafür bedanken. Die Stromkosten fallen aber nach wie vor an, zumal das Haus weiterhin, wenn auch sehr reduziert, in Betrieb ist, Kühlräume laufen, Streams produziert werden und die Bürokommunikation gewährleistet sein muss.

Würden wir das Theater für maximal 100, vermutlich aber oft nur 30 oder 60 Personen wieder öffnen, würden uns tägliche Mehrkosten von etwa 1.500 bis 2.000 Euro entstehen, weil wir die Kollegen aus der Kurzarbeit holen, aufwendige Hygienevorschriften einhalten, Werbeanzeigen schalten, Reinigungsdienste bezahlen und wieder mehr Stromkosten kalkulieren müßten…….und in dieser Summe ist noch kein Cent Gage für den Künstler und die Veranstaltungsnebenkosten enthalten. Heißt also: Eine Öffnung bei „ausverkauftem“ Haus mit 100 Zuschauern würde das Geld kosten, was eingenommen werden kann, der Künstler würden dabei aber leer ausgehen und das Theater kaum seine Kosten decken. Oder wären Sie bereit, plötzlich 50 oder 60 Euro für ein Ticket zu bezahlen? Um dann ziemlich einsam in einem recht leeren Raum zu sitzen, der nicht mehr viel mit dem Pantheon gemein hat, was man erinnert und liebt? Sicher nicht – und wir würden es auch nicht verlangen. Kultur sollte zudem immer niederschwellig sein, sie hat nämlich auch eine soziale Aufgabe!

Und so haben wir uns entschieden, weiter zu hoffen, auf neue Lockerungen, weiter schwindende Infektionszahlen, darauf, dass die Wirtschaft und damit die Menschen in einigen Monaten nicht sowieso solche finanziellen Probleme haben, dass ein Theaterbesuch das Letzte wäre, was ihnen in den Sinn kommt. Zu hoffen darauf, dass wir wieder gemeinsam dem Bühnengeschehen entgegenfiebern (verzeihen Sie das Wortspiel) und uns fallen lassen können in eine andere, schöne, aufrüttelnde, magische Welt, die kurz vor dem 33. Pantheongeburtstag abrupt ein Ende nahm. Bzw. nur eine Auszeit, so hoffen wir jedenfalls, so dass wir alle, unsere Kollegen, all die Branchen die an der Kultur dranhängen, noch mal mit einem blauen Auge davon kommen und nach diesem Alptraum wieder bald für Sie da sind.

Um noch ein paar organisatorische Fragen zu beantworten: Wir haben es bisher geschafft, die meisten Veranstaltungen durch Verschiebung zu retten in der Hoffnung, dass sie im Herbst/Winter nachgeholt werden können. Ihre Karten behalten Gültigkeit, können aber natürlich auch zurückgeben werden, bitte dort, wo Sie gekauft wurden. Bei Rückfragen stehe ich jederzeit unter pantheon@pantheon.de zu Ihrer Verfügung!

Das Pantheon lehnt die gesetzliche Gutscheinregelung ab! Vorverkaufsgelder sind treuhänderische Gelder, die natürlich umgehend zurückgezahlt werden, wenn der Kunde das wünscht. Mit unserem eigenen Ticketsystem setzen wir das zuverlässig und schnell um, bei den großen Ticketanbietern die ebenfalls unsere Karten verkaufen gibt es leider manchmal Probleme.
Bitte sagen Sie uns in so einem Fall Bescheid, wie schalten uns dann ein und versuchen zu vermitteln!

Wir hoffen, dass wir Sie dann im August wiedersehen. Dann gibt es schon wieder jede Menge tolle Shows, auch wenn wir z. B. das Varietespektakel absagen mussten – der organisatorische Vorlauf dauert Monate, um so viele Künstler unter einen Hut zu bekommen, auf Grund fehlener Planungssicherheit konnten wir es nicht riskieren, so einen Aufwand zu betreiben der dann nachher vielleicht umsonst gewesen wäre. Aber wir hoffen, die anderen Shows anbieten zu können, vielleicht immer noch unter eingeschränkten Möglichkeiten, die sich aber hoffentlich von den aktuellen bereits unterscheiden.

Bis dahin: Bleiben Sie gesund, bleiben Sie uns erhalten, und wenn Sie uns unterstützen wollen, ist hier die Kontoverbindung des Fördervereins. Jeder Cent kommt bei uns an und hilft, das versprechen wir Ihnen!

Das Spendenkonto:
Kulturförderkreis Pantheon e.V.
IBAN DE66 3806 0186 2015 0450 11
(Mitgliedsbeiträge und Spenden für den Förderkreis Pantheon e. V. können steuerlich geltend gemacht werden.)

Martina Steimer, Rainer Pause, das Team des Pantheon und der Kulturförderkreis

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