Christina Lux: „Kultur ist ein weit größerer Wirtschaftszweig, als oft gesehen wird“

Christina Lux: „Kultur ist ein weit größerer Wirtschaftszweig, als oft gesehen wird“

Christina Lux: „Kultur ist ein weit größerer Wirtschaftszweig, als oft gesehen wird“ 2000 965 SOS - Save our Spectrum

Christina Lux

Die deutsche Sängerin und Komponistin Christina Lux gehört zu den bedeutendsten Liedkünstlern der Gegenwart. Von August bis November 2019 führte sie mit „Was zählt für dich?“ die Liederbestenliste an. Ein Gespräch mit ihr in Zeiten der Corona-Krise.

Wie erleben Sie die Krise?

Sehr seltsam, weil es einfach so viel Ungewisses gibt. Es gibt keine Zeit von der man sagen kann, bis dahin wird es gehen. Und dann ist es durch. Also sind wir alle in einem seltsamen Abwartezustand. Und auch davon abhängig, was da an Erkenntnissen gewonnen wird, so dass wir da möglichst schadlos durchkommen.

Was sollte die Politik tun?

Auch für die Politik ist es eine echt schwierige Situation, weil sie in kürzester Zeit viele Entscheidungen treffen mussten, ohne dass absolut klar ist, was das Virus für Ausmaße annehmen kann.

Und ja, da werden natürlich Fehler gemacht. So, wie die Wissenschaft immer wieder Entscheidungen revidieren muss, wenn sie neue Erkenntnisse hat, so muss auch die Politik immer wieder neu schauen, was hier noch angemessen ist und was nicht. Es wird wichtig sein, alle Veränderungen, die aus Schutzgründen die Freiheit eingeschränkt haben, ganz und gar wieder zurück zu nehmen, wenn das hier durch ist.

Es kann nicht sein, dass unter den jetzigen Umständen leise und still im Schnellverfahren Gesetze verändert werden, die eigentlich weitergehende Prüfungen und auch Folgeabschätzungen bräuchten. Das Schlimmste was passieren kann ist, dass die Menschen ihr Vertrauen in die Entscheidungen der Regierung verlieren. Die extrem Rechten stehen schon in den Startlöchern, um genau diese Verunsicherung und auch den Unmut für sich auszunutzen.

Solche Zeiten sind wie gemacht dafür Macht auszuüben, indem man die Verunsicherung durch falsche Aussagen und Polarisierungen noch verstärkt. Da müssen wir sehr aufpassen. Es wird wichtig sein, dass wirklich Schutzschirme ausgebreitet werden die auch kleine Unternehmen, Soloselbstständige und natürlich Kulturschaffende erhält. Das uns angebotene ALGII ist nicht geeignet, um einen kleinen Betrieb weiter zu führen. Es lähmt und macht bewegungsunfähig.

Erste Schritte zur Besserung sind zwar gemacht, nach dem es deutlichen Druck unter anderem durch Petitionen und auch von den Kulturräten gab, aber das ist noch nicht wirklich optimal. Zumindest schaffen es immer mehr Bundesländer auch einen Teil der Soforthilfe für ein eigenes Gehalt möglich zu machen. In NRW (ich lebe in Köln) können wir jetzt zumindest 2000 Euro der erhaltenen Soforthilfe dafür nutzen, unsere Lebenshaltungskosten zu decken. Da muss noch einiges passieren. Kultur ist ein weit größerer Wirtschaftszweig, als oft gesehen wird.

Denn an all den Kulturschaffenden hängen sehr viele Menschen, die das ganze erst möglich machen, dass ich zwei Stunden im Licht stehe und meine Musik mache. Tontechniker, Booker, Grafiker, Lichtleute, Veranstalter, Venues und und und. Das wird in der Außenbetrachtung gern beiseitegeschoben. Es wird dann das Bild des verträumten Künstlers verbreitet, der ja eh von der Hand in den Mund lebt. Das ärgert mich. Denn weder bei mir, noch bei vielen meiner Kollegen ist dem so. Das sind alles hart arbeitende, wackere tolle Künstler*innen, die sich einen unabhängigen guten Weg freigeschaufelt haben und selbstredend auch systemrelevant sind in dem Sinn, dass sie beitragen zu dem, was diese Gesellschaft und dieses Land hier trägt.

Was muss sich nun ändern, auch nach der Krise?

Schön wäre es, wenn wir wirklich zu mehr Bewusstheit fänden. Wenn uns bewusster geworden wäre, wie verletzbar wir als Menschen sind und wie wichtig es ist wirklich solidarisch miteinander umzugehen. Es gab eine gewisse Entschleunigung.

Statt tausende von Kilometern durch die Lande zu touren, habe ich im Moment viel Zeit zu sortieren, nach neuen Wegen zu suchen. Und ich habe Kontakt mit Freunden gehabt, die ich lange nicht gesprochen habe. Ich habe versucht alles zu tun, um ein bisschen Licht in das Dunkel zu bringen und viele Informationen gesammelt über Hilfsmöglichkeiten und den Umgang mit der Soforthilfe und diese über meine Kanäle verbreitet. Viele waren schlicht ratlos.

Es wird wichtig werden weiterhin politisch zu sein. In dem Sinne dessen, dass es keinen Sinn macht nur zu meckern oder zu wüten, sondern wir müssen effektiv äußern und kommunizieren was für uns wichtig ist als Berufsgruppe z.B. und uns organisieren. Ich hoffe, dass viele das begreifen. Aggressive und gewaltbereite Aktionen sind für mich absolut tabu. Es geht um Zusammenschluss und Klarheit. Und bitte, bitte gelassen bleiben dabei.

Bekommen Sie Sympathien und Unterstützung – auch durch Fans?

Ich saß hier oft durchgeschüttelt und voller Dankbarkeit, ob der unfassbaren Unterstützung die mir entgegengebracht wurde durch CD & Songbuch Käufe und durch freie Beträge, die auf meinem Konto landeten. Was für ein Glückskeks bin ich, denke ich oft. In den letzten 15 Jahren hat sich ein sehr feiner, treuer und sehr unterstützender Lauscherkreis gebildet. (Das Wort Fans mag ich immer nicht so richtig.)

Seit 2006 mache ich regelmäßig Crowdfunding, wenn ich neue Alben angehe. Die Menschen, die mich so unterstützen, nenne ich liebevoll Künstlerartenschützer. Das sind all die, die begreifen, dass Kultur nicht die Sahne obenauf ist, wenn es einem gut geht, sondern die Hefe im Teig. Vergisst man sie, wird das Brot zu Stein. Das sagte Johannes Rau einmal. Und recht hat er.

Also kommen sie zu Konzerten, kaufen noch CDs (Streaming ist zwar nett, um Musik zu entdecken, aber ein Stream bringt etwa 0,003 Euro auf ein Künstlerkonto) und nehmen aktiv daran teil, dass es die Künstler weiterhin gibt, die sie unterstützen. Ich habe eine Webseite eröffnet die www.kuenstlerartenschutz.de heißt und auf der ich auch Kollegen vorstelle, die ich sehr schätze und bei denen man eben auch ihre CDs direkt kaufen kann, statt im Amazonas. Und das ist wichtig für den Erhalt der Kultur.

Wann und wo kann man Christina Lux wieder erleben?

Ich kann es leider nicht sagen. Im Moment entscheiden wir von Monat zu Monat. Aber all meine Termine finden sich unter www.christinalux.de und dort kann man sich auch in einen Newsletter eintragen, um keinen Termin zu verpassen.

Das Interview führte Dr. Jochen Zenthöfer für die Initiative „SOS – Save Our Spectrum“ per E-Mail am 20. Mai 2020.

Foto: Sebastian Niehoff

Lux lauschen und sehen hier:
http://www.christinalux.de
http://www.kuenstlerartenschutz.de
https://instagram.com/christina_lux_
http://www.youtube.com/wunderlux
http://www.facebook.com/Christina.Lux.Music
https://www.deezer.com/de/artist/151561
https://music.apple.com/de/artist/christina-lux/5041118

 

 

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