Wir wollen unsere SouverÀnitÀt erhalten:
Sichert die Kulturfrequenzen!
Sichert die Kulturfrequenzen!
1.
Unsere Initiative, vor allem von KĂŒnstler:innen und Musiker:innen getragen, will störungsfreies Frequenzspektrum fĂŒr Funkmikrofone, In-Ear-Systeme, Talkback- Systeme sowie Audio-Links sichern. Ohne diese drahtlosen Produktionsmittel können uns unsere Fans nicht hören. Doch Frequenzen sind nur begrenzt vorhanden und werden von den Behörden regelmĂ€Ăig neu verteilt. Viele Gruppen haben Interesse: Rundfunk, Mobilfunk, MilitĂ€r, Industrie, Astronomie, usw.
Die Veranstaltungs- und Medienwirtschaft darf dabei nicht leer ausgehen.
Wir brauchen die sogenannten âKulturfrequenzenâ. Das ist der Bereich zwischen 470 und 694 MHz im âTV-UHF-Spektrumâ. Dieses Spektrum heiĂt âTV-UHFâ, weil es auch der Rundfunk nutzt. Genauer gesagt: Hier erfolgt die terrestrische Ăbertragung des Fernsehens, also das, was ĂŒber die Hausantenne empfangen wird. Seit ĂŒber 60 Jahren nutzen Rundfunk, Kultur und einige andere (Wetterdienst, Astronomie) den Bereich in guter Partnerschaft gemeinsam.
Das soll auch so bleiben.
Wieso benötigen wir gerade dieses âTV-UHFâ-Frequenzband? Das hat physikalische GrĂŒnde:
- KĂŒnstler:innen wollen sich mit ihrem Funkmikrofon auf der BĂŒhne frei bewegen. Das geht nur bei 470 bis 694 MHz, da dieser Frequenzbereich vom Körper wenig beeinflusst wird (nicht umsonst nutzen Herzschrittmacher das Frequenzband um 400 MHz). Bei höheren Frequenzen nimmt der Körpereinfluss zu. Es kommt dann zu unerwĂŒnschten Richtwirkungen. Der KĂŒnstler wird nicht mehr ĂŒberall im Publikum verstanden. Physikalisch muss die WellenlĂ€nge gröĂer als der Körperdurchmesser sein. Das schafft nur TV-UHF.
- Theaterdekorationen bestehen aus komplizierten Stahl- oder Aluminiumkonstruktionen, die die Ausbreitung von Funkwellen stark beeintrĂ€chtigen. TV-UHF ist ein Bereich, in dem die Ausbreitung und Reflektion der Funkwellen so gut ist, dass sie auch bei solchen Aufbauten noch bei den EmpfĂ€ngern des Mischpults ankommen. Das ist nicht mit einer höheren Sendeleistung zu kompensieren. Dann wĂŒrde die Laufzeit der Batterien so verringert, dass die KapazitĂ€ten nicht ausreichen.
- Musiker:innen, die auf Tournee gehen, nutzen 470 bis 694 MHz. Die meisten Soundanlagen sind fĂŒr dieses Spektrum produziert. Der Bereich ist in Europa harmonisiert. Wer auf Tour geht, kann seine Soundanlagen einfach mitnehmen, von Deutschland nach Frankreich, weiter nach Spanien, von dort nach Polen, Finnland oder Russland.
Das wollen wir erhalten.
2.
3.
Der internationale Fachbegriff fĂŒr unsere Nutzung ist âProgramme Making and Special Eventsâ (PMSE). In internationalen VertrĂ€gen und Gesetzen taucht daher immer wieder der Begriff âPMSEâ auf. Unsere Nutzung gehört zum Mobilen Landfunkdienst (âmobile land serviceâ, âSAB/SAPâ). Manche interpretieren dies als NĂ€he zu âmobile serviceâ, also zur Mobilfunktelefonie. Aber beides ist, trotz des Ă€hnlichen Namens, zu unterscheiden.
Die Mobilfunktelefonie hat einen entscheidenden Nachteil: Sie kann ihr Spektrum nicht teilen. Das Spektrum, das sie haben, bekommen sie exklusiv fĂŒr sich alleine. Da ist fĂŒr unsere WĂŒnsche kein Platz mehr. Wir könnten das Spektrum nur noch nutzen, wenn wir den Mobilfunk beauftragen. Das wollen wir aber nicht. Wir verlieren dann unsere SouverĂ€nitĂ€t und werden abhĂ€ngig von den groĂen Mobilfunkkonzernen.
Wir wollen, dass Kultur ihre SouverÀnitÀt erhÀlt. Wir wollen nicht von Konzernen abhÀngig sein.
Bisher können wir den Bereich zwischen 470 und 694 MHz im TV-UHF-Spektrum dank internationaler Abkommen und nationaler Regelungen ĂŒberall in Europa nutzen. Das ermöglichen fĂŒr diese Weltregion (zu der auch Afrika, Arabien und Russland gehören) die âRadio Regulationsâ in FuĂnote 5.296. Darin werden wir als sekundĂ€re Nutzer dieses Frequenzspektrums genannt, primĂ€rer Nutzer ist der Rundfunk.
Dies muss so bleiben!
Verlust droht
Ăbrigens war unser Frequenzband frĂŒher gröĂer, doch die sogenannte âDigitale Dividende 1â und die âDigitale Dividende 2â verteilten das 700 und das 800 MHz-Band an den Mobilfunk. Nun droht auch der Verlust des kleinen Restes (470 – 694 MHz). Der Mobilfunk und die Bundeswehr fordern intensiv die Nutzung dieses Bandes. Auf einer der nĂ€chsten Weltfunkkonferenzen wollen sie das Band fĂŒr sich selbst zugesprochen bekommen..
Aus unserer Sicht benötigt der Mobilfunk das Band nicht. Er hat etwa bereits 1300 MHz Frequenzspektrum, das er bei weitem nicht nutzt. Das TV-UHF-Band wĂŒrde dem Mobilfunk, aus physikalischen GrĂŒnden, nur 3 Prozent mehr Spektrum bringen, fĂŒr unsere Kultur aber 100 Prozent Verlust bedeuten. Und das bei steigendem Bedarf fĂŒr Veranstaltungen, Theater, Messen, OpernhĂ€user, KonzerthĂ€user, usw. in der heutigen Zeit, die der Soziologe Andreas Reckwitz als kulturell wertbehaftet bezeichnet. Live-Konzerten bescheinigt er eine Ă€sthetisch-sinnliche QualitĂ€t. Doch diese QualitĂ€t ist in Gefahr. Immer hĂ€ufiger gibt es bei Störungen wegen Frequenzmangel.
KreativitÀt gefragt
Anderenorts können Sounddesignerinnen und Tontechniker die Probleme nur noch mit groĂem Personaleinsatz und viel KreativitĂ€t sowie mit daher einhergehenden Kosten lösen: Teilweise mĂŒssen wĂ€hrend Veranstaltungen die genutzten Frequenzen gewechselt werden!
Der Friedrichstadt-Palast kann aufgrund des Spektrummangels nur 68 Funkstrecken nutzen. (Hinzukommen weitere Funkstrecken fĂŒr den Sicherheitsbereich.) Mit 68 Funkstrecken sind eine ganze Reihe von fantastischen Veranstaltungen möglich â allerdings kommt das Revuetheater damit auch an die Grenzen seiner Machbarkeit. Gerne wĂŒrde man mehr Funkstrecken nutzen können, um die Choreographien noch ausgefeilter und die Darbietungen noch auĂergewöhnlicher zu machen. Das geht aber leider nicht mehr.
Bedarf steigt
Die EuropĂ€ische Union ging 2014 in Punkt eines offiziellen Beschlusses davon aus, dass PMSE-Anwendungen einen Spektrumsbedarf von 96 MHz haben. Wir rechnen mit einer jĂ€hrlichen Steigerung von rund 2 MHz, unterbrochen von der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021. Das bedeutet, dass unser Bedarf nun bei rund 124 MHz und mehr liegt. Dieser Bedarf, der jederzeit und ĂŒberall in Deutschland und Europa auftreten kann (unerwartete Medienereignisse, usw.), kann nur mit den Frequenzen des TV-UHF-Spektrums gedeckt werden.
Dagegen hat der Mobilfunk kein Bedarf an weiterem Spektrum. Die dort vorhandenen Probleme wie Funklöcher sind durch die Antennentechnik MIMO und nationales Roaming lösbar. Das kostet vielleicht ein bisschen mehr als neue Frequenzen zu bekommen. Aber diese Lösung wĂŒrde die âKulturfrequenzenâ erhalten und damit den Veranstaltungsstandort Europa und unsere SouverĂ€nitĂ€t.
Infrastruktur fehlt
Diese Grafik zeigt, dass der Mobilfunk unsere Kulturfrequenzen nicht benötigt. Das Problem des Mobilfunks sind nicht fehlende Frequenzen, sondern fehlende Infrastruktur.
Wille fehlt
Der Mobilfunk sollte zunĂ€chst Netze innerhalb seiner Frequenzen ausbauen: Im 700 MHz-Band, im 2 GHz-Bereich und bei 3,6 GHz. Funklöcher gibt es an vielen Stellen. An fehlenden Frequenzen liegt es nicht. Vielmehr mangelt es am Willen zum Ausbau. Dabei hatten die Konzerne schon vor Jahren versprochen, eine fast flĂ€chendeckende Versorgung mit 4G/LTE aufzubauen, um schnelles Internet fĂŒr alle Nutzer gewĂ€hrleisten zu können. Diese Versprechen wurden bislang nicht erfĂŒllt.
Die Kulturfrequenzen sind nach Ansicht des PrĂ€sidenten der Bundesnetzagentur bis 2030 fĂŒr PMSE sicher.
Politiker:innen aktiv
Doch Deutschland braucht auch nach 2030 noch die Kulturfrequenzen! Dazu Ă€uĂerten sich jĂŒngst auch Politiker:innen der demokratischen Parteien: Elisabeth Motschmann MdB (CDU/CSU), Gustav Herzog MdB (SPD), Margit Stumpp MdB (GrĂŒne), Anke Domscheit-Berg MdB (Linke), Doris Achelwilm MdB (Linke), Thomas Hacker MdB (FDP) und Christian Jung MdL [damals MdB] (FDP).
Die beschriebene Situation ist vergleichbar in Ăsterreich, der Schweiz, Belgien und allen anderen europĂ€ischen LĂ€ndern.
Hintergrund
Bisher fĂŒr uns benannte âErsatzspektrenâ auĂerhalb des TV-UHF-Spektrums verursachen Probleme:
(a) Sie sind teilweise sehr störanfĂ€llig. Es gibt bereits Versuche im Gigahertz-Band (1,7 bis 1,8 GHz) und mit WLAN (2,4 GHz). Diese liefern keinen gleichbleibenden QualitĂ€ten und können bereits durch einfache BĂŒhnendekorationen Verbindungen abreiĂen lassen. Sie sind fĂŒr den tĂ€glichen Einsatz nicht geeignet.
(b) Sie sind zu kleinteilig. PMSE benötigt aus physikalischen GrĂŒnden zusammenhĂ€ngendes Spektrum, vor allem bei GroĂveranstaltungen.
(c) FĂŒr manche Bereiche gibt es keine GerĂ€te der Hersteller, da diese nur dann produzieren, wenn ein Frequenzbereich in verschiedenen LĂ€ndern/MĂ€rkten fĂŒr PMSE ausgewiesen wird.
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Links
- Grafik: Frequenznutzung durch PMSE, Beispiel an einem Wahlabend 2018, 2020, 2023 (oder spÀter)
- Grafik: Frequenzbedarf des Mobilfunks in Deutschland â er braucht keine zusĂ€tzlichen Frequenzen
- Grafik: 5G leider untauglich fĂŒr unseren drahtlosen Produktionsmittel
- EU-Kommission zu PMSE-Anwendungen (2014/641/EU)
- Frequenzverlust seit Sommer 2020 in Ăsterreich spĂŒrbar
- Aufruf von SPD, FDP, Linken und GrĂŒnen (2021): Die Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen muss im Parlament verhandelt werden
- CDU/CSU (2021): âBundesnetzagentur sichert Kultur und Rundfunk den Fortbestand der Kulturfrequenzen zuâ
- Polizei und Feuerwehr brauchen sinnvolle Kommunikationsnetze â aber dafĂŒr nicht die Kulturfrequenzen
- âDer Mobilfunk bekommt noch mehr Frequenzen â jetzt muss er endlich liefernâ
- âDer Mobilfunk braucht nicht mehr Frequenzen, sondern Antennenarrays mit mehr KapazitĂ€tâ – Professor Georg Fischer ist Extraordinarius am Lehrstuhl fĂŒr Technische Elektrotechnik an der Friedrich-Alexander-UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg (FAU)