„Wir fordern eine europaweite Kompensation der 2. Digitalen Dividende“

„Wir fordern eine europaweite Kompensation der 2. Digitalen Dividende“

„Wir fordern eine europaweite Kompensation der 2. Digitalen Dividende“ 2082 1216 SOS - Save our Spectrum

Matthias Fehr ist Vorsitzender eines wichtigen Verbandes, der in diesen Tagen sein zehnjähriges Jubiläum feiert.

Der APWPT (“Association of Professional Wireless Production Technologies”) ist eine unabhängige Vereinigung, die sich auf internationaler Ebene für die effiziente und bedarfsgerechte Bereitstellung und Nutzung von Produktionsfrequenzen für professionelle Eventproduktionen einsetzt. Der Gründer der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“, Helmut G. Bauer, sagt: „Wir haben vielfach über den APWPT berichtet und dabei unsere gemeinsamen Forderungen an die breite Öffentlichkeit, die Politik und in die Medien gebracht. Das ist eine gute Arbeit Hand-in-Hand.“

Der APWPT feiert einen runden Geburtstag. Wofür gibt es den Verband?

APWPT vertritt Anwender und Hersteller drahtloser Produktionsmittel (PMSE). Das sind drahtlose Mikrophone oder Audiostrecken für die Audioübertragung, mobile oder fliegende Kameras für die Videoproduktion oder etwa Team/Regie-Verbindungen oder Effekt- Steuerung, die für die Produktionen benötigt werden.

Funkverwaltungen als Executive der Politik haben Anwendern drahtloser Produktionsmitteln mehrfach Frequenzen entzogen. Das war der Anlass zur Gründung des APWPT. Wir verstehen uns als eine umfassende Interessenvertretung all jener, die drahtlose Produktionswerkzeuge nutzen. Dazu gehören vor allem Kunst, Kultur und die Kreativindustrie, die ja viele Veranstaltungen realisieren.

Bei den Produktionen denkt man zunächst an Rundfunk-, Theater- Musical-, oder Konzertproduktionen. Wo werden drahtlose Produktionsmittel noch eingesetzt?

Das ist richtig, das sind sehr wichtige Bereiche. Sie können sich gern vor Augen führen, dass die Drahtlostechnik in fast jedem öffentlichen und gesellschaftlichen Bereich eingesetzt werden: in Schulen, an Universitäten, auf Messen, während Business-Veranstaltungen, bei Internet- und Kinoproduktionen, bei freien Theatergruppen, Musikveranstaltungen Sport und, und, und. Diese Kultur und „Kreativindustrie“ sichert in erheblichem Umfang Arbeitsplätze und einen wesentlichen Beitrag zum Bruttosozialprodukt, z. B. in Deutschland 98 Mrd. Euro (2016) und in Frankreich 44,5 Mrd. Euro (2016). Eine enorme Wirtschaftskraft, deren Produktionsmittel geschützt werden müssen. Anzumerken ist noch, dass dieser Wirtschaftsbereich verlässlich wächst: auch in den vergangenen Jahren der Krise.

Deggendorf, Stadthalle, Inthega Herbsttagung
Fotograf: Günter E. Bergmann Presse-, Werbe- und Eventfotografie
Aufnahmedatum: 22.10. – 23.10.2012

Welche Erfolge hatte der APWPT in den vergangenen Jahren?

Wir haben schon einiges erreicht.

Das Wichtigste ist wohl, dass APWPT in der Politik und den Verwaltungen voll akzeptiert ist als Interessenvertretung von Kunst, Kultur und Kreativindustrie zum Thema Funkfrequenzen. Die Nutzer haben also eine Stimme.

Wir nehmen an vielen nationalen und internationalen Arbeitsgruppen teil. Dazu gehören Arbeitsgruppen mit in der Öffentlichkeit meist unbekannten Abkürzungen wie CEPT, DKE, ETSI und ITU. Manchmal leiten wir auch Arbeitsgruppen und haben damit noch besseren Einfluss. Aufgrund unseres Auftretens dort – und unserer Expertise – wurde der APWPT auch zur Teilnahme an den Weltfunkkonferenzen 2012 und 2015 eingeladen worden. Darüber hinaus arbeiten wir sachbezogen mit unseren Mitgliedsverbänden in vielen Ländern.

Wo merkt der Nutzer drahtloser Produktionsmittel den Erfolg des APWPT konkret?

Man kann davon ausgehen, dass die EU-Harmonisierungsentscheidung von zwei alternativen Frequenzbereichen zur Kompensation der 1. Digitalen Dividende (823-832 MHz und 1785-1805 MHz) ohne unser beständiges Wirken nicht so oder so schnell gekommen wäre.

Deshalb fordern wir nun auch intensiv eine europäische Kompensation der 2. Digitalen Dividende (700 MHz Bereich). Positiv ist im Übrigen, dass andere Länder die Europäische Harmonisierung (1785-1800 MHz) übernehmen, etwa Australien.

Neben dem Kampf um den Zugang zu alternativen Frequenzbereichen besteht eine weitere, wichtige Aufgabenstellung: Es geht um die Sicherung der Qualität/Störungsfreiheit der nutzbaren Frequenzbereiche.

Ein Beispiel: Eine von uns geförderte Studienarbeit zur Duplexlücke 823-832 MHz hat dazu geführt, dass der Mobilfunk erhebliche Auflagen zur maximalen Störung in den benachbarten Mobilfunk-Frequenzen bekommen hat. Nur deshalb ist die Duplexlücke für viele Produktionen der Kultur- und Kreativwirtschaft heute gut nutzbar. Diese Aufgabenstellung haben wir in jedem neuen Frequenzbereich, der studiert wird.

Die Arbeit geht dem APWPT nicht aus. Was steht als nächstes an?

Im Mittelpunkt steht unser Kampf für eine umfassende nationale Umsetzung (Europa und darüber hinaus) der Studienergebnisse zu den alternativen Frequenzbereichen 1350-1400 MHz und 1518-1525 MHz zur Kompensation der 2. Digitalen Dividende. Hier fordern wir eine EU-Harmonisierungsentscheidung.

Der APWPT unterstützt zudem die CEPT-Studien zur Nutzbarkeit eines Flugfunkbereichs (960-1164 MHz) und der dafür notwendigen Rahmenbedingungen: Schwerpunkt ist zunächst in Europa, aber diese Arbeit wird weltweit beobachtet, etwa in Kanada und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

In der ITU, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, arbeitet der APWPT an einer weltweiten Identifizierung von Funkfrequenzen für drahtlose Produktionswerkzeuge unter dem Mandat der ITU-R Resolution 59-1 (weltweite Identifizierung von Frequenzen für Produktionstools). Das ist bereits eine intensive Vorbereitung auf die Weltfunkkonferenz im nächsten Jahr, die Studien zum aktuellen UHF-TV-Bereich und eine absehbare Änderung des 600 MHz Bereichs beraten wird.

Wie gestaltet sich die internationale Zusammenarbeit im APWPT?

Sehr gut. Wir sind ein internationales Netzwerk und teilen unsere Erfahrungen und Ressourcen. So können wir in vielen nationalen und internationalen Arbeitsgruppen mitwirken, und das in verschiedenen Sprachräumen.

Auf welche Weise profitieren Nutzer drahtloser Produktionsmittel konkret vom APWPT?

Es werden – Dank der Arbeit der APWPT-Mitglieder – vorhandene Frequenzbereiche gesichert und alternative Frequenzen erschlossen. Wir vertreten in internationalen Gremien eine gemeinsame Position, und zwar mit einer deutlichen Stimme. Bei Frequenzwegfall gab und gibt es Kompensationszahlungen für die betroffenen Anwender, etwa in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Das fordern wir mit Nachdruck auch in anderen Ländern. Positiv ist auch die staatliche Förderung von Forschungsprojekten zu Anwendungen drahtloser Produktionsmittel, z.B. C-PMSE, PMSE-xG, LIPS.

Wie finanziert sich der APWPT?

Der APWPT finanziert sich aus den Mitgliedsbeiträgen und die Mitgliederversammlung der APWPT berät über deren Verwendung.

Diese reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die vielfältigen Aufgaben und Anforderungen zu bestreiten – man denke nur an die Reisekosten zu den internationalen Konferenzen oder die Kosten für externe Berater des APWPT.

Einen wesentlichen Anteil dieser Kosten tragen die Hersteller drahtloser Produktionsmittel. Die Hersteller sehen dies als Verpflichtung ihren Kunden gegenüber, um deren Anwendungen für die Zukunft abzusichern. Ohne das Engagement der Hersteller und ohne den unermüdlichen, hartnäckigen Einsatz seiner „Macher“ wäre der APWPT nicht dort wo er heute steht: eine international akzeptierte Interessenvertretung der Nutzer drahtloser Produktionstechnik. Daher gebührt auch den Herstellern ein großer Dank.

Diese Aktivitäten unterstützen die kontinuierliche und nachhaltige Arbeit unserer Mitgliedsverbände.

Was wird die Zukunft bringen?

Bereits heute sind Tendenzen zu registrieren, dass des wahrscheinlich eine dritte Digitale Dividende geben wird: auch das 600 MHz Band soll weltweit versteigert werden. In den USA hat man das bereits durchgeführt und es war ein Flop – es gab nur wenig Interesse.

Trotzdem haben Kanada und Neuseeland angekündigt diesem Bespiel zu folgen. APWPT ist der Meinung, dass der Mobilfunk kein weiteres Spektrum benötigt, sondern die zugewiesenen Frequenzen effizient nutzen muss.

Die Politik hat das zumindest in einigen Staaten bereits erkannt und drängt darauf, dass die vorhandenen Frequenznutzungen zuerst landesweit ausgebaut werden, bevor über neue Bereiche diskutiert wird. APWPT denkt es ist besser, das Spektrum regional zu vergeben, um darüber auch den Ausbau der lokalen Infrastruktur zu sichern.

Trotzdem wird der gesamte Frequenzbereich 470 – 910 MHz ein Thema der nächsten Weltfunkkonferenzen 2019 und 2023 sein und uns somit weitere Arbeit bescheren. Ein weiteres Zukunftsthema sind neue Technologien wie 5G. Dazu muss in der Regulierung sichergestellt werden, dass Produktionen ihr eigenes Netz am Veranstaltungsort aufbauen und betreiben können. Es darf keine Abhängigkeit vom Mobilfunk geben!

In Deutschland wird bereits diskutiert und wird wahrscheinlich umgesetzt: 100 MHz des 5GSpektrums soll den Anwendungen der sogenannten „vertikalen Industrien“ vorbehalten sein. Das begrüßen wir. Dafür hatten wir uns auch stark eingesetzt.

„The show must go on“ heißt es im Veranstaltungsgewerbe – wir bemühen uns, die technische und regulative Grundlage dafür zu erhalten.

Kontakt zum APWPT: office@apwpt.org

 

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