Blick in die Zukunft: Digitalisierung, 5G-Mobilfunk und Funkmikrofone

Blick in die Zukunft: Digitalisierung, 5G-Mobilfunk und Funkmikrofone

Blick in die Zukunft: Digitalisierung, 5G-Mobilfunk und Funkmikrofone 1024 724 SOS - Save our Spectrum

Symbolbild.

Störungsfreie Frequenzen für drahtlose Mikrofone werden immer rarer, da mit der Digitalen Dividende 1 und 2 große Teile des bisher nutzbaren Spektrums an den Mobilfunk versteigert wurden. Bringt die Digitalisierung ein Ende der Knappheitsfalle? Können Funkmikrofone künftig nicht einfach das schnelle Mobilfunknetz zur Signalübertragung nutzen? Mit Abgeordneten des Bayerischen Landtags warfen „SOS – Save Our Spectrum“ und der Mikrofonhersteller Sennheiser einen Blick in die Zukunft. Im Rahmen eines „Parlamentarischen Abends“ informierten sich die Mandatsträger über aktuelle Entwicklungen in der Frequenzpolitik, die tragende Rolle drahtloser Produktionsmittel in der Kultur- und Kreativbranche sowie die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technik. Gemeinsam mit den Organisatoren und hochrangigen Experten aus Kultur, Wissenschaft, Mobilfunk und öffentlich-rechtlichem Rundfunk erörterten sie die politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Namhafte Technikausstatter berichteten von ihren Nöten aus der Praxis und machten zusätzlich den Handlungsbedarf deutlich. Durch den Abend führte Helmut G. Bauer, Gründer der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“.

Theater digital

Den Reigen der Vorträge eröffnete Marc Grandmontagne, geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins. In seiner Impulsrede beschrieb er, wie Theater und Orchester bereits seit vielen Jahren digitale Technik einsetzen, vom Ticketing im Internet bis hin zu 3D-Druckern für die Herstellung von Masken. Grandmontagne wies darauf hin, dass Deutschland über die weltweit vielfältigste Theater- und Orchesterlandschaft verfüge. „Es gibt rund 140 öffentlich getragene Theater wie Stadttheater, Staatstheater und Landesbühnen. Hinzu kommen rund 220 Privattheater, etwa 130 Opern-, Sinfonie- und Kammerorchester und ca. 70 Festspiele. Außerdem rund 150 Theater- und Spielstätten ohne festes Ensemble und 100 Tournee- und Gastspielbühnen ohne festes Haus“. Drahtlose Produktionsmittel gehörten in allen Bereichen zu den wichtigsten Arbeitswerkzeugen. Er betrachte mit Sorge, dass dafür immer weniger Frequenzen zur Verfügung stehen.

Frequenzmangel in München

Norbert Hilbich, Director Spectrum Affairs & System Design bei Sennheiser, stellte anhand konkreter Beispiele dar, wie sich die Digitalen Dividenden 1 und 2 auf den Einsatz drahtloser Produktionsmittel in München auswirken. Ursprünglich hätten 36 TV-Kanäle für Funkmikrofone zur Verfügung gestanden. Nach der Versteigerung der 700-MHz- und 800-MHz-Bänder habe sich die Zahl der freien Kanäle auf 15 verringert. Sie reichten z.B. nicht mehr für alle bisher beim Oktoberfest eingesetzten drahtlosen Mikrofone aus. Gleiches gelte auch für den Wahlabend bei der anstehenden Landtagswahl in Bayern 2018.

Gastgeber des Abends: Helmut G. Bauer, Gründer der Initiative „SOS – Save Our Spectrum“ (rechts), und Norbert Hilbich von Sennheiser.

Digitalisierung mit Augenmaß gefordert

Prof. Dr.-Ing. Georg Fischer zeigte detailliert die physikalischen Grenzen bei der Digitalisierung von Funkmikrofonen. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Technische Elektronik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Eine weitere Frequenzvergabe zugunsten des Mobilfunks würde nach seinen Worten zu erheblichen Einbußen bei der Wertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft führen. Laut Untersuchungen des Bundeswirtschaftsministeriums sei dieser Wirtschaftszweig nach der Automobilindustrie und dem Maschinenbau inzwischen der drittgrößte Industriezweig in Deutschland.

Unsicherheit bei den Technikanwendern

Thomas Jaggo, Inhaber eines Systemhauses für Audiotechnik, berichtete aus der Praxis. Sein Unternehmen Jaggo Media hat unter anderem die drahtlose Technik im Plenarsaal des Bayerischen Landtags installiert. Seit mehreren Jahren ist es außerdem für die Tontechnik der Fronleichnamsprozession in Regenburg verantwortlich. Dabei gelte es in den verwinkelten Gassen sicherzustellen, dass an jedem Ort des kilometerlangen Zuges die Lieder und Gebete gut verstanden werden könnten. Für die dazu notwendige Ausrüstung habe das Domkapitel vor fünf Jahren Technik in Höhe von mehreren zehntausend Euro angeschafft. Weil nach der Digitalen Dividende 2 das 700-MHz-Band geräumt werden müsse, könne sie in Zukunft allerdings nicht mehr verwendet werden. Jaggo war ratlos, welches Frequenzspektrum auf Dauer für den Einsatz drahtloser Produktionsmittel zur Verfügung stehe und für langfristige Investitionen empfehlenswert sei.

Vor demselben Problem steht Alexander Mayr, der mit seiner Firma TAPS Media u.a. die Tontechnik der Münchener Sicherheitskonferenz bereitstellt. Dafür sei ein erheblicher Aufwand notwendig, damit Redner und Dolmetscher jederzeit gut verständlich seien. Aussetzer und Störungen müssten ausgeschlossen sein. Mayr fühlte sich von der Bundesnetzagentur im Stich gelassen. Er habe von der Behörde zwar eine Frequenzzuteilung erhalten. Diese könne er aber nicht weiter nutzen, weil er das 700-MHz-Band freimachen müsse.

Zusammenführung von Mediendiensten

Ulrich Rehfueß von Nokia Networks erläuterte den wachsenden Frequenzbedarf des Mobilfunks. Als Beispiele nannte er „Industrie 4.0“ und „autonomes Fahren“. Im neuen Mobilfunkstandard 5G, der ab dem Jahr 2020 schrittweise den aktuellen Standard LTE ablösen wird, sah er Möglichkeiten für den Einsatz drahtloser Produktionsmittel. Mit dem Forschungsprojekt „PMSE xG“, initiiert vom Mikrofonhersteller Sennheiser, werde aktuell ein erster Schritt zur Zusammenarbeit gemacht.

Norbert Hilbich von Sennheiser griff dies auf. Es bestehe bei 5G die Chance eines Einsatzes bei drahtlosen Mikrofonen. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, auch Frequenzen des Mobilfunks zu nutzen. Aus diesem Grund fördere das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur das Projekt. Gleichzeitig warnte Hilbich aber vor übertriebenen Erwartungen. Die Forschung stehe noch ganz am Anfang.

Auch das Fernsehen forsche, ob es in der Zukunft den Mobilfunkstandard 5G für die terrestrische Verbreitung einsetzen könne, berichtete Helwin Lesch, Leiter der Hauptabteilung „Planung und Technik“ beim Bayerischen Rundfunk. Vor dem Senden müssten die Inhalte aber erst produziert werden, was ohne ausreichend Frequenzen für drahtlose Geräte nicht möglich sei. Anhand einer Karte zeigte er, wie stark sich die Frequenzsituation in Bayern lokal unterscheidet. In einigen Gebieten stünden höchstens vier störungsfreie Kanäle für Funkmikrofone bereit. Dies stelle erhebliche Anforderungen an die Vorbereitung von Veranstaltungen und Produktionen. Lesch zeigte sich skeptisch, ob in Zukunft noch an jedem Ort wie bisher Produktionen möglich seien.

Verständnis bei den Abgeordneten

In der Diskussion hoben die Abgeordneten den Zielkonflikt einer flächendeckenden Versorgung mit mobilem Internet und einer funktionierenden Kultur- und Theaterlandschaft hervor. Beides müsse gesichert werden. Sie sagten zu, das Thema der Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel in ihren Gremien weiterzuverfolgen.

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