„Morgen kann es zu Ende sein“

„Morgen kann es zu Ende sein“

„Morgen kann es zu Ende sein“ 1417 945 SOS - Save our Spectrum

Bühnenszene aus dem Stück „Der nackte Wahnsinn“. Quelle: Rheinisches Landestheater Neuss

Professionelle drahtlose Produktionstechnik ist teuer und hält in der Regel viele Jahre lang. Zumindest dann, wenn die Politik nicht dazwischenfunkt: Bald muss in Deutschland wieder im großen Stil funktionierendes Equipment ausgemustert werden. Die Frequenzen, auf denen viele Systeme senden, wurden als „Digitale Dividende 2“ an den Mobilfunk verkauft und müssen bis spätestens 2019 geräumt werden. Schon vorher können Störungen durch Mobilfunktests und neue DVB-T2-Sender auftreten.

Da bleibt nur eins: neue Ausrüstung beschaffen, die in einem anderen Frequenzbereich sendet oder die vorhandene Anlage – soweit möglich – beim Hersteller umrüsten lassen. Dass die Ausgleichszahlungen des Bundes nicht für eine Neuanschaffung reichen, ist dabei noch ein eher geringes Problem. Denn die Nutzer wissen erst gar nicht, für welche Frequenzbereiche sie neue Anlagen kaufen sollen. Noch immer ist nicht klar, welche Bänder langfristig für den Einsatz drahtloser Produktionsmittel zur Verfügung stehen. Es gibt keine Rechts-und Planungssicherheit.

Was bedeutet das für die vielen Tausend Anwender, die sich auf ihre Technik plötzlich nicht mehr verlassen können – und denen darüber hinaus jede Perspektive für eine Neuanschaffung fehlt? Dazu haben wir mit David Kreuzberg, dem technischen Leiter des Rheinischen Landestheaters Neuss, gesprochen.

David Kreuzberg, technischer Leiter des Rheinischen Landestheaters Neuss. Foto: Marco Piecuch

Herr Kreuzberg, wie muss man sich die Arbeit des Reheinischen Landestheaters Neuss vorstellen? Sie sind ja kein „normales“ Theater.

Das stimmt. Wir haben ein festes Theater in Neuss, touren aber darüber hinaus durch ganz Nordrhein-Westfalen. Wir können unsere Schauspieler in zwei bis drei Teams einteilen, ergänzt von Technikern. So ist es möglich, mit zwei Produktionen gleichzeitig unterwegs zu sein, während eventuell noch eine Produktion im eigenen Haus läuft. Unser Ziel ist, den Menschen auch außerhalb der großen Städte künstlerisch hochrangige Inszenierungen anzubieten, zu einem bezahlbaren Preis. Viele Orte haben zwar eine geeignete Spielstätte, aber kein eigenes Schauspielensemble. Dort sind wir dann gefragt. Teilweise gastieren wir auch an Orten außerhalb Nordrhein-Westfalens oder im deutschsprachigen Ausland: Österreich, Schweiz, Luxemburg.

Sucht sich das Landestheater seine Auftrittsorte selbst aus?

Nein, wir werden normalerweise gebucht. Es gibt einen Trägerverein für das Landestheater Neuss, der sich aus verschiedenen Städten und Gemeinden aus dem Umkreis zusammensetzt. Wir sind verpflichtet, in den Mitgliederorten mindestens eine Produktion im Jahr zu spielen. Wenn Interesse an weiteren Produktionen besteht, werden wir ebenfalls beauftragt.

Wie sehen die Spielstätten aus, in denen Sie zu Gast sind?

Die Spielstätten unterscheiden sich enorm. Vom vollausgestatteten Theater bis hin zur Schulaula mit sechs Scheinwerfern ist alles vertreten. Dementsprechend müssen wir uns bei der Konzeption der Produktionen – die ja für das Publikum überall in der gleichen Qualität angeboten werden sollen – auf das Minimum einstellen. Das heißt, wir haben meistens eine eigene, autarke Tonanlage dabei. Außerdem verbauen wir bereits sehr viel LED-Technik direkt im Bühnenbild, das wir dann gleichbleibend überall aufbauen können.

Warum nutzen Sie drahtlose Produktionstechnik?

Hauptsächlich, weil wir zeitlich eng limitiert sind. Normalerweise haben wir nur sechs Stunden von der Ankunft bis zum Vorstellungsbeginn, da zählt buchstäblich jede Minute. Drahtlose Technik lässt sich unabhängig vom Spielort schnell und flexibel installieren, ohne dass groß Kabel gezogen werden müssen. Wir nutzen nicht nur für die Tonübertragung, sondern inzwischen auch für die Beleuchtungssteuerung Funktechnik. So passt es für unsere Anforderungen einfach am besten.

Wie groß sind Ihre Produktionen, wie viele drahtlose Strecken setzen Sie ein?

Wir sind überwiegend ein reines Sprechtheater, haben aber auch immer wieder musikalische Produktionen im Angebot. In der Regel sind nur in musikalischen Produktionen die Schauspieler mit Mikroports ausgestattet. Das Maximum sind ungefähr acht Sender plus zwei oder drei Gitarrenstrecken, wenn eine Live-Band dabei ist.

Außenansicht des Theaters in Neuss. Quelle: Rheinisches Landestheater Neuss

Müssen Sie den Einsatz ihrer Funktechnik vorab planen – zum Beispiel danach, welche Frequenzen vor Ort verfügbar sind?

Nein. Wir haben bisher immer unsere Funkstrecken angeschaltet und es hat funktioniert, nach dem Motto „Plug and Play“. Natürlich wäre es schön, wenn wir das auch in Zukunft so beibehalten könnten, ohne zusätzlichen Aufwand.

Sie befürchten Nachteile wegen der letzten Versteigerung von Funkfrequenzen an den Mobilfunk, der so genannten Digitalen Dividende 2?

Ja, die Nachteile sind greifbar. Bei den Frequenzen, die wir gemietet haben, hat uns die Bundesnetzagentur mitgeteilt: Wahrscheinlich geht es noch ungefähr eineinhalb Jahre lang gut. Aber ganz genau kann man es wohl nicht sagen. Die Probleme sind auf die Einführung von DVB-T2 zurückzuführen. Theoretisch könnten wir noch bis 2019 funken, praktisch kann es auch morgen zu Ende sein. Wenn wir wüssten, auf welche Technik und welchen Frequenzbereich wir künftig setzen sollen, wäre es einfacher. Aber so bleibt uns nur die Unsicherheit.

Haben Sie das Geld, um sich neues Equipment anzuschaffen?

Nein, leider fehlen uns die finanziellen Mittel. Außerdem haben wir keine genaue Zeitangabe, bis wann wir unsere Funkstrecken tatsächlich nutzen können. Deshalb fahren wir momentan auf Konfrontation und müssen sehen, wie lange es gut geht.

Wie bereiten Sie sich auf mögliche Störungen oder sogar das Nichtmehr-Funktionieren ihrer Funktechnik vor?

Wir haben immer verdrahtete Backup-Mikrofone dabei. Wenn wirklich viele Mikroports genutzt werden, dann sind es zwei bis drei Havariemikrofone. Außerdem haben wir einen Techniker hinter der Bühne, der sich um die Sender kümmert.

Sind Kabelmikrofone für Sie eine echte Alternative zu drahtloser Technik?

Nein, natürlich nicht. Aber es ist meistens immer noch besser, als die Darsteller ohne Verstärkung singen zu lassen. Ob sich das Kabel mit der Inszenierung verträgt, kommt auf den Akteur an, der das Mikrofon halten und das Kabel mitschleppen muss. Gerade bei einer Gesangsnummer sollte sich der Akteur möglichst frei bewegen können. Wir würden lieber bei Drahtlostechnik bleiben. Auch weil wir damit sowohl auf kleinen Bühnen als auch in großen Theatern spielen können – ohne besonderen Zeitaufwand. Natürlich aber nur, wenn das System auch funktioniert.

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