Neuer Leitfaden für Frequenzmanagement bei Veranstaltungen

Neuer Leitfaden für Frequenzmanagement bei Veranstaltungen

Neuer Leitfaden für Frequenzmanagement bei Veranstaltungen 2560 1332 SOS - Save our Spectrum
„470 bis 694 MHz wird am meisten genutzt“ – Herausragende Bachelorarbeit aus Berlin – Interview mit Florian Glaß

Sie haben einen „Leitfaden für Frequenzmanagement bei Veranstaltungsproduktionen“ entwickelt. Was ist am Wichtigsten?

Im Rahmen meiner Bachelorarbeit hatte ich mir das Ziel gesetzt, das Arbeitsfeld Frequenzmanagement bei Veranstaltungsproduktionen näher zu beleuchten. Konkret habe ich untersucht, welche Maßnahmen und Abläufe zu einem Frequenzmanagement gehören und in welcher Reihenfolge diese im Kontext zu den einzelnen Projektphasen einer Veranstaltung erfolgen können. Als Basis für meine Untersuchung nutzte ich unter anderem Fachliteratur, Gesetztestexte und Herstellerinformationen. Weiterhin habe ich Frequenzmanager aus der Praxis interviewt und sie zu ihren Erfahrungen und Methoden befragt.

In Summe habe ich aus den Erkenntnissen, die ich auf diese Weise gewinnen konnte, einen Leitfaden in Form einer Checkliste entwickelt. In der Liste habe ich die möglichen Arbeitsschritte eines Frequenzmanagements zusammengefasst und einzelnen Projektphasen zugeordnet. Der Leitfaden repräsentiert damit die Zusammenfassung und Ergebnisübersicht meiner Bachelorarbeit.

In der Ausarbeitung hat sich gezeigt, dass die einzelnen Arbeitsschritte der Frequenzmanager aufeinander aufbauen und miteinander verzahnt sind.

Das übergeordnete Ziel des Frequenzmanagements ist es allgemein, einen störungsfreien und koordinierten Funkbetrieb für alle Beteiligten bei einer Veranstaltung zu ermöglichen. Um das realisieren zu können, bedarf es im Vorfeld einer sorgfältigen Spektrumsanalyse, bei der unter anderem der Frequenzbedarf bei der Veranstaltung, lokale Einschränkungen des Spektrums und rechtliche Aspekte der Frequenznutzung geprüft werden. Erst auf Grundlage dieser Recherchen können in den nächsten Schritten Frequenzen berechnet, koordiniert und den einzelnen Nutzern zugewiesen werden. Das heißt, das Zusammenspiel der verschiedenen Arbeitsvorgänge des Frequenzmanagements ist letztendlich entscheidend, um einen stabilen Funkverkehr gewährleisten zu können.

Das ist aus meiner Sicht eine sehr wichtige Erkenntnis, die ich aus der Untersuchung und dem entwickelten Leitfaden gewinnen konnte.

… und was hat Sie am meisten überrascht, als Sie den Leitfaden erstellt haben?

Ein Stück weit überraschend war für mich die Feststellung, wie vielseitig die Tätigkeiten der Frequenzmanager sein können.

Es geht in dem Aufgabengebiet zum Teil darum rechtliche Fragen zu klären. Das heißt zum Beispiel, Recherchen im Vorfeld anzustellen, welche nationalen Nutzungsbestimmungen für ausgewählte Funksysteme zu beachten sind.

Weiterhin gibt es natürlich auch eher technisch orientierte Aufgaben. Dazu zählen beispielsweise das Durchführen von Frequenzmessungen oder die Inbetriebnahme von Funksystemen.

Außerdem ist eine gute Kommunikationsfähigkeit gefragt. Bei Veranstaltungen können verschiedenste Gruppen von Funknutzern zusammentreffen, die sich das gleiche Frequenzspektrum teilen. Die Frequenzmanager müssen an dieser Stelle mit den einzelnen Gewerken intensiv kommunizieren, um die Frequenznutzungen zwischen den Beteiligten abzustimmen, sodass alle ihre Funkstrecken möglichst störungsfrei betreiben können.

Frequenzmanagement ist demnach eine wirklich interdisziplinäre Tätigkeit, die unterschiedlichste Bereiche abdeckt. Das war für mich persönlich auch eine neue Erkenntnis, die ich aus der Untersuchung schlussfolgern konnte.

In Ihrer Studie berichten Sie über Störsender, am Beispiel eines Staatsbesuchs in Berlin. Wie kann man sich da als Frequenzmanager wappnen?

Ja richtig, einer der Frequenzmanager, die ich interviewt habe, hat von einem solchen Szenario berichtet. Laut seiner Schilderung kann es bei wichtigen Staatsbesuchen oder besonderen politischen Veranstaltungen der Fall sein, dass Störsender zum Schutz des Ereignisses aufgestellt werden.

Problematisch ist, dass diese Sender sehr weitreichend sein können und breitbandig stören. In der Konsequenz kann es bei Veranstaltungen, die in der Nähe stattfinden, zu starken Funkbeeinträchtigungen kommen.

Um Störungen dieser Art generell entgegen zu kommen, wäre ein erster Lösungsansatz die belasteten Frequenzen zu meiden. Das kann durchaus schwierig werden, wenn die Störung große Teile des verfügbaren Frequenzspektrums betrifft. Notfalls müssen Funksysteme mit anderen Frequenzbändern für die Veranstaltung beschafft werden, sofern das zeitlich noch möglich ist.

Eine weitere Option ist die Anpassung der Antennenpositionen der Funkstrecken, sodass die Störquelle möglichst nicht mehr im Empfangsbereich der Antennen liegt. Des Weiteren wäre es noch möglich, die Sendeleistung der Funksysteme zu senken und die Antennen zu dämpfen, damit diese weniger empfindlich sind gegenüber störenden Einstreuungen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass es aufgrund der reduzierten Systemleistung zu Funkaussetzern kommt.

Der Frequenzmanager aus dem Interview empfiehlt grundsätzlich vor einer Veranstaltung die aktuellen Berichterstattungen zu prüfen. Auf diese Weise kann im Vorfeld in Erfahrung gebracht werden, ob besondere Ereignisse wie Staatsbesuche in der Nähe anstehen. Somit ist ein potenzieller Störfall eher absehbar und die funktechnische Planung kann eventuell noch angepasst werden.

 Welcher Frequenzbereich wird in Deutschland am meisten benutzt und weshalb?

In meiner Untersuchung hat sich gezeigt, dass der wohl wichtigste Frequenzbereich für Funkanwendungen bei Veranstaltungen im Abschnitt von 470 bis 694 MHz liegt. Es ist denke ich davon auszugehen, dass dieser Bereich auch am meisten benutzt wird. Die Frequenzmanager in den Interviews haben jedenfalls vorrangig von diesem Frequenzraum gesprochen und verwenden diesen regelmäßig bei Veranstaltungen.

Ein entscheidender Vorteil ist ganz klar die Größe dieses Abschnitts.

Rein zahlenmäßig betrachtet ist es der umfangreichste Frequenzraum, der für Funktechnik bei Veranstaltungen zur Verfügung steht. Dementsprechend lassen sich hier auch die meisten Funkkanäle realisieren. Viele professionelle Systeme arbeiten daher in diesem Bereich. Die Hersteller können weitreichende Schaltbandbreiten für die Drahtlostechnik realisieren.

Das heißt, die einzelnen Systeme sind somit in der Lage in großen Frequenzräumen von 100 MHz und mehr zu agieren. Das ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität bei der Frequenzauswahl, was bei Veranstaltungen sehr wichtig ist. Die Frequenzräume werden von verschiedensten Nutzern beansprucht, nicht nur aus dem Veranstaltungsbereich, daher braucht es Platz und Auswahlmöglichkeiten bezüglich der Frequenzen, sodass die Interessensgruppen sich nicht gegenseitig stören.

Weiterhin sind die physikalischen Eigenschaften des Frequenzbereichs 470 bis 694 MHz durchaus vorteilhaft.

Die Wellenlängen liegen bei diesen Frequenzen zwischen vier und sechs Dezimetern, somit lassen sich gute Reichweiten in der Ausbreitung erzielen. Beispielsweise können bei Funkmikrofonen in diesem Frequenzabschnitt je nach Umgebungsbedingungen Distanzen von 100 Metern und mehr erreicht werden, die für eine große Bühne zum Beispiel erforderlich sein können. Mit steigender Frequenz beziehungsweise sinkender Wellenlänge wird die Ausbreitung dagegen schlechter. Funkmikrofone bei 2,4 GHz haben nur noch eine Reichweite von 30 Metern im Schnitt. Außerdem können größere Wellenlängen sich tendenziell besser um Hindernisse in ihrem Ausbreitungsweg herumbeugen, während hingegen kürze dies nicht können und eher abgeschattet werden.

Zusammengefasst gesagt, sind die Vorteile des genannten Frequenzbereichs die Menge an realisierbaren Funkkanälen, damit einhergehend die Flexibilität bei der Frequenzauswahl und zu guter Letzt die physikalischen Eigenschaften hinsichtlich der Wellenausbreitung. Das sind denke ich die wesentlichsten Gründe, warum dieser Bereich so essentiell ist für die Funkanwender im Veranstaltungsbereich.

Welche Folgen hätte Ihrer Meinung nach eine „Digitale Dividende 3“ oder eine co-primäre Zuweisung von 470 – 694 MHz an den Mobilfunk für die Veranstaltungsproduktion?

Sollte es zu einer 3. Digitalen Dividende kommen, wäre das ein tiefgreifender Einschnitt in die aktuelle Frequenzlandschaft.

Womöglich wäre es auch die schwerwiegendste der drei Dividenden für den Veranstaltungsbereich.

Eine Folge wäre, dass zahlreiche Funksysteme aus dem Frequenzraum auf absehbare Zeit nicht mehr nutzbar sind und die Anwender in Konsequenz hohe wirtschaftliche Schäden davontragen müssen.

Die nächste Problematik ist, dass ein Frequenzmangel für die Branche entstehen würde, sofern es keine adäquaten Ersatzfrequenzen gibt. Heutzutage ist es keine Seltenheit mehr, dass bei großen Veranstaltungen mehrere hundert Funkkanäle betrieben werden. Um das überhaupt möglich zu machen, ist der Frequenzbereich 470 bis 694 MHz unverzichtbar.

Hinzukommend bleibt der Bedarf an Funktechnik nicht stehen, sondern wächst weiter laut den Frequenzmanagern und Herstellern, mit denen ich gesprochen habe. Das verfügbare Frequenzspektrum würde sich somit in mehrfacher Hinsicht verdichten – zum einen durch den Wegfall von Frequenzen und zum anderen durch die weiterwachsende Nachfrage.

Infolge einer solchen Entwicklung würde es immer schwieriger werden, freie Frequenzen zu finden. Funktechnik könnte nicht mehr in der Art bei Veranstaltungen eingesetzt werden, wie es jetzt der Fall ist.

Eine gemeinschaftliche Nutzung des Frequenzbereichs mit dem Mobilfunk ist eher fragwürdig zu sehen. In einem solchen Fall müsste es gewisse Mindestgarantien geben, dass Frequenzen verfügbar und störungssicher nutzbar sind. Das stelle ich mir in der Praxis schwer umsetzbar vor. Immerhin geht es im Veranstaltungsbereich auch viel um sicherheitsrelevante Kommunikation, die via Funk abläuft. An dieser Stelle darf es keine Abstriche hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Funkfrequenzen geben.

Weshalb werden die Tätigkeiten einer Frequenzmanagerin immer komplexer?

Ja, das hängt denke ich mit den Punkten, die ich eben nannte, stark zusammen. Perspektivisch wird es alleine schon herausfordernd sein, den Bedarf nach zahlreichen Funkkanälen bei Großveranstaltungen frequenztechnisch decken zu können – vor allem, wenn die Nachfrage nach Funkanwendungen, wie gesagt, weiterwächst. Sollte das verfügbare Frequenzspektrum zudem durch eine Dividende eingeschränkt werden, wird es für die Frequenzmanager umso schwieriger werden, noch freie Frequenzkapazitäten für alle Funkanwendungen zu finden.

Weiterhin entwickelt sich natürlich die Funktechnik selbst stetig weiter und auch dieser Prozess muss im Auge behalten werden. Ich denke das sind die hauptsächlichen Gründe, warum das Tätigkeitsfeld zukünftig anspruchsvoller werden wird.

Was sind weitere wichtige Erkenntnisse Ihrer Studie?

Im Hinblick auf die möglichen Entwicklungen, die ich gerade nannte, wird Frequenzmanagement meiner Meinung nach bei Veranstaltungen zukünftig eine bedeutsamere Rolle einnehmen.

Wenn die Bedingungen zum Finden freier Frequenzen schwieriger werden, wird es entscheidend sein, dass es entsprechende Spezialisten wie Frequenzmanager gibt, die sich um die Koordinierung der Funknutzer kümmern. Das heißt, das Betreiben eines aktiven Frequenzmanagements wird perspektivisch wichtiger werden, um bei Veranstaltungen auch weiterhin einen störungsfreien und geordneten Funkbetrieb ermöglichen zu können.

Die Studie von Florian Glaß komplett:
https://prof.bht-berlin.de/fileadmin/prof/alindau/BEng_Gla%C3%9F_f%C3%BCr_WEB_01.pdf

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