Die ausgebildete Schauspielerin Anne Diemer ist zurzeit am Schlosstheater Celle engagiert. Dort wirkt sie in sechs bis acht Produktionen pro Spielzeit mit. Diemer hat an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart Schauspiel studiert und wurde zwei Jahre nach ihrem Abschluss von „Theater heute“ als beste Nachwuchsschauspielerin nominiert. Seither hat sie in etlichen Filmen mitgespielt und hatte Theaterengagements unter anderem am Staatstheater Stuttgart, dem Nationaltheater Mannheim, dem Mainfranken Theater Würzburg sowie dem Theater Altenburg / Gera. Im Fernsehen ist sie in Krimis wie „SOKO“ oder „Tatort“ zu sehen; jüngst in der ZDF-Produktion „Schwartz & Schwartz: Der Tod im Haus“, die im März 2019 gezeigt und von knapp sechs Millionen Zuschauern gesehen wurde.
Warum sind Sie Schauspielerin geworden?
Der Wunsch kam im Kindesalter. Ich habe große Freude daran, Geschichten zu erzählen, Menschen zu berühren und zu bewegen. Dazu kommt eine unglaubliche Freude am Spielen. Mein Beruf ist sehr abwechslungsreich – in jeder Produktion beschäftige ich mich mit anderen Themen, Zeiten, Kulturen. Schauspiel ist ein Handwerk. Ich merke, dass ich besser werde und souveräner bin, eine Rolle anzunehmen. In den letzten Jahren konnte ich auch viel international arbeiten. Das macht mir besonders Spaß. Allerdings sind die Arbeitsbedingungen auch nicht einfach. Man ist viel unterwegs; die Arbeitszeiten und geringen Gagen machen es schwierig, eine Familie zu gründen bzw. sesshaft zu werden. Es gibt keine Garantien oder unbefristeten Arbeitsverträge. Das ist nicht immer leicht. Trotzdem gibt es bis heute jeden Tag mindestens einen Moment, bei dem ich mich freue, dass ich diesen Beruf machen darf.
Frau Diemer, wenn Sie die Wahl haben: Kabelmikrofon oder drahtloses Mikrofon?
Das ist einfach zu beantworten: Drahtlos! Denn Kabelmikrofone sind bei den allermeisten Produktionen gar nicht möglich. Derzeit spiele ich bei einem musikalischen Schauspiel mit, habe sechs verschiedene Rollen, singe und tanze. Kabel am Mikrofon wären da nicht denkbar und würden uns physisch und künstlerisch immens einschränken. Wir würden uns in den Kabeln verheddern; Choreographien wären nicht mehr möglich. Übrigens werden auch im Sprechtheater gerne mal Mikrofone benutzt, zum Beispiel, um aus dem Off zu sprechen. Theater bedeutet immer eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart, egal ob zeitgenössische oder klassische Stücke auf dem Spielplan stehen. Da muss es möglich sein, alle Medien zu nutzen.
Lernt man in der Ausbildung den Umgang mit Funkmikrofonen?
Jede Schauspielschule geht anders damit um. Zu meiner Zeit an der Stuttgarter Schauspielschule hatte ich das Glück mit dem erfahrenen Sprecher und Radioregisseur Hans-Peter Bögel zu arbeiten. Parallel zum Studium hatte ich damals auch meine ersten Sprecherjobs beim SWR: Features, Hörspiele, Voice-overs – also, wenn eine Tonaufnahme auf eine Bildaufnahme oder eine andere Tonaufnahme gelegt wird. Durch meine Praxis am Theater in diversen Produktionen habe ich gelernt, wie Funkmikrofone benutzt werden.
Wie verändert sich das Sprechen, wenn man mit und ohne Funkmikrofon arbeitet?
Es gibt Stücke, die sind als Schauspieler ohne Mikroport nicht zu schaffen. Ich denke da vor allem an Schauspiel-Musicals. Oft ist auch eine Live-Band dabei. Ohne Funkmikrofon kann man bestimmte Töne oder Färbungen der Stimme gar nicht ins Publikum transportieren – vor allem in großen Häusern. Es ist – zum Beispiel – oft unmöglich in einem großen Saal so laut zu flüstern, dass es jeder im Publikum hört. Mit Funkmikrofonen kann man intimere Töne anschlagen und künstlerische Aussagen durch bestimmte Effekte verstärken.
Arbeiten Sie lieber mit Mikrofon oder ohne?
Das kommt darauf an. In einer meiner aktuellen Produktionen, dem „Celler Loch“, singen wir Schauspieler eine ganze Menge, zum Beispiel „99 Luftballons“. Dank des Funkmikrofons kann ich mich dabei frei auf der Bühne bewegen. Mit einem Kabelmikro ginge das nicht. Mit einem Kabelmikro könnte man auch nicht tun, was die Rolle verlangt: Einen Rockstar darstellen. Denn welcher Rockstar nutzt ein Mikrofon mit Kabel?
Ich habe auch schon Theaterräume erlebt, die sind akustisch so toll, dass man als Schauspieler gerne ohne Mikrofon arbeitet. Dazu gehört die Semper-Oper oder die Theater in Altenburg und Gera. Das Gleiche wäre aber in Spielstätten wie Würzburg oder Bad Godesberg nicht möglich, vor allem wenn Musik dabei ist. Das Haus der Godesberger Kammerspiele war früher ein Kino. Oft spielt man in Häusern, die nicht als Theater konzipiert wurden. Da sind Funkmikrofone oder Mikroports bei gewissen Produktionen dringend notwendig.
Haben Sie schon mal Tonstörungen erlebt?
Nein. Aber ich sehe den Stress der Kollegen vom Ton bei den Aufführungen. Wo früher zwei Personen den Ton gemacht haben, ist es heute nur noch eine Person. Die muss dann acht Mikroports und die ganze Band steuern. Das ist eine Überforderung und beeinflusst die Qualität der Aufführung. In der Kultur wird immer weiter gespart. Auch die Ensembles werden kleiner, sollen aber das gleiche Pensum stemmen. Seit 14 Jahren bin ich im Beruf und merke die Kürzungen auf allen Ebenen und in allen Abteilungen, bis hin zum Material, das veraltet. Dabei wurde schon früher niemand reich am Theater, da ist viel Idealismus – bei allen, die hier arbeiten!